Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
Vom Netzwerk:
tust ja gerade so, als solltest du aufgehängt werden!«
    Wir nahmen zum dritten Mal im Verlauf der jüngsten Abenteuer einen Omnibus, diesmal in Richtung Kentish Town. Ich glaube, Joey gefiel das Fahren im Bus, aber er wollte auf der anderen Seite nicht, dass wir glaubten, er hätte keine Erfahrung damit.
    »’s is nicht das erste Mal, dass ich im Ommibus fahr, ja?«, informierte er uns. »Nur das erste Mal, dass ich in einem drin sitz.«
    »Du bist oben auf der offenen Plattform mitgefahren?«, fragte ich.
    »Nein. Ich hab mich hinten drangehängt und bin für umsonst mitgefahren.«
    Kentish Town war eine Gemeinde mit langer Geschichte. Sie hatte erst vor vergleichsweise kurzer Zeit angefangen zu wachsen, und heute gab es überall neue Gebäude und eine Eisenbahnlinie mitten hindurch, auch wenn im Zentrum noch mehr als genug alte Häuser standen. Wir erkundigten uns nach dem Weg zu den Slaters und wurden in eine Seitenstraße im alten Zentrum dirigiert. Wally war wohlbekannt, genau wie ich es mir gedacht hatte, und schon der erste Passant, den wir ansprachen, konnte uns die gewünschte Auskunft geben.
    Wallys Haus war eines von den älteren Gebäuden, ein Cottage mit einer Toreinfahrt an der Seite, breit genug, um die Kutsche passieren zu lassen. Die Einfahrt führte in einen Hof, dessen gesamte Rückseite von einem Stallgebäude aus Holz eingenommen wurde. Hier war Nelson untergebracht, Wallys Kutschpferd. An einer Leine flatterte frisch gewaschene Wäsche.
    Eine kleine dicke Frau, die mir kaum bis zu den Schultern reichte, öffnete die Tür. Sie hatte dichtes langes Haar, das zu einem mächtigen Knoten hochgesteckt war und sie aussehen ließ wie ein Kastenweißbrot.
    »Hallo …«, sagte sie zur Begrüßung und musterte uns von oben bis unten. »Was gibt’s denn?«
    »Mrs. Slater?«, fragte ich. »Ich bin …«
    Weiter kam ich nicht, bevor sie mich unterbrach. »Oh, ich weiß, wer Sie sind, warten Sie!«, sagte Mrs. Slater fröhlich. »Sie sind diese Miss Martin, von der mein Mann immer spricht, hab ich Recht?«
    »Das ist richtig, Mrs. Slater, nur dass ich jetzt Mrs. Ross heiße.«
    »Ja, ja, das hat er mir auch erzählt. Sie haben einen Polizeibeamten geheiratet, hat er gesagt. Würde gut zu Ihnen passen, meinte er. Kommen Sie herein, nur herein mit Ihnen allen!«
    Wir trotteten hintereinander in ihr makellos sauberes Wohnzimmer, wo ich Bessie vorstellte und schließlich Joey. Ich erklärte ihr den Zweck unseres Besuchs. »Ich hatte mit Ihrem Mann über Joey gesprochen, hat er es vielleicht erwähnt? Ich hoffe sehr, dass er mit Ihnen darüber geredet hat.«
    »Er hat mir alles erzählt, keine Sorge, meine Liebe. Aber zuerst der Tee, dann das Geschäftliche«, sagte Mrs. Slater entschieden. »Sie setzen sich bitte hierher, Mrs. Ross, das ist der beste Sessel. Sie, Miss Bessie, setzen sich dort auf diesen Stuhl. Er schaukelt ein wenig, aber keine Sorge, er kippt nicht um. Ich sage Wally ständig, dass er die Beine reparieren soll. Und du, junger Freund, du kommst mit mir in die Küche und hilfst mir beim Tragen.«
    Bessie strahlte, als sie auf dem wackligen Möbel Platz nahm. Sie war in hohem Maß entzückt darüber, als vollwertige Besucherin behandelt zu werden. Ich nahm in einem ausladenden Ohrensessel Platz, der allem Anschein nach normalerweise für Wally reserviert war. Ein Tisch und ein Schrank waren die einzigen weiteren Möbelstücke im Zimmer, außerdem ein abgewetzter Teppich auf dem Steinboden. Alles war makellos sauber. Mrs. Slater – ich war sicher, dass sie dahintersteckte – hatte den Mangel an Mobiliar dadurch kompensiert, dass sie die Wände mit allen möglichen Bildern verziert hatte. Die meisten stammten vermutlich von einem Straßenhändler und hatten nicht mehr als ein paar Pence gekostet. Ein Bild – das Prunkstück – zeigte ihre Majestät, Queen Victoria, in ihrer Krönungsrobe. Ein weiteres daneben zeigte den Prinzgemahl, der in seinen jüngeren Jahren wirklich sehr adrett ausgesehen hatte. Das Bild war mit einem schwarzen Band versehen; ein Zeichen der Anteilnahme aufgrund der Tatsache, dass er schon vor einigen Jahren verstorben war. Weiter gab es Bilder von den Kindern der Regentin, zwei oder drei Blumengemälde, eine Darstellung der Teilung des Roten Meers und mehrere Bilder von Preisboxern. Das größte davon hing über dem Kamin und zeigte eine furchterregende Gestalt, mit nackter Brust und in Reithosen und mit auffällig kleinen Füßen, um einen so mächtigen

Weitere Kostenlose Bücher