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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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zugewinkt hat. Und Ihr Macker ist ein Bulle. Er wär hergekommen und hätt mich ausgefragt. Ich red nich gern mit Bullen. Also hab ich mich verpisst. Jetzt heißt es, er hat den Ganoven geschnappt, und deswegen denk ich, er braucht mich nich mehr und ich kann wieder zurückkommen, okay? Und da bin ich!«, schloss er.
    »Mein Mann hätte sich gerne mit dir unterhalten«, räumte ich ein. »Jetzt allerdings nicht mehr, weil das Rätsel des jungen Mannes, den du gesehen hast, längst aufgeklärt wurde.«
    »Ach? Tatsächlich?« Joey blickte enttäuscht drein. »Dann hat er nichts mit dem Mord zu tun gehabt?«
    »Nicht direkt. Aber es war richtig von dir, mir zu erzählen, was du gesehen hast. Wenn du je wieder etwas Ungewöhnliches siehst, kannst du es mir immer sagen. Zeugen sind sehr wichtig.«
    Anscheinend gefiel ihm der Gedanke, wichtig zu sein, doch seine Begeisterung wurde gedämpft von dem Wissen, dass es auf der anderen Seite bedeutete, sich mit den Bullen unterhalten zu müssen.
    »Ein Franzmann, wie?« Er sah mich nachdenklich an. »Ich hab gehört, sie haben ihn durch ganz Wapping gejagt, sogar die Flusspolizei. Er ist auf ein Haus geklettert und stand oben auf einem Schornstein, wo er die Fäuste geschüttelt und die Bullen beschimpft hat, stimmt das? Dann ist er über die Dächer weggelaufen und in den Fluss gesprungen. Er wollte über die Themse schwimmen und abhauen, aber sie sind ihm mit einem Boot hinterher und haben ihn aus dem Wasser gezerrt. Er hat geflucht wie ein Rohrspatz und sich aus Leibeskräften gewehrt. Sie haben sechs Mann gebraucht, um ihn festzuhalten.«
    »Nun ja, mehr oder weniger«, räumte ich ein. Ich konnte sehen, dass die Jagd auf Hector Mas im Beisein von so vielen Zeugen schnell Eingang in den Volksmund finden würde. Bei jedem Wiedererzählen würden Mas’ Taten phantastischer und heldenhafter werden, bis er auf der gleichen Stufe stand wie der berüchtigte Springheel Jack aus den Legenden.
    »Ich freue mich jedenfalls sehr, dich zu sehen, Joey, weil ich mit dir reden möchte. Du magst doch Pferde, oder nicht?«
    »Ja …?«, antwortete Joey vorsichtig.
    »Ich kenne einen Kutscher, einen gewissen Wally Slater. Er ist ein sehr netter Mann, Joey. Er war früher Preisboxer, deswegen sieht er ziemlich furchteinflößend aus, aber in Wirklichkeit ist er sehr freundlich. Er braucht jemanden, der ihm hilft, sich um sein Pferd kümmert und die Kutsche putzt, wenn er nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt. Ich habe ihm von dir erzählt, und er hat sich einverstanden erklärt, es mit dir zu versuchen. Ich nehme nicht an, dass er dir viel zahlen wird, aber es wäre ein regelmäßiges Einkommen und weit besser, als ziellos auf der Straße zu leben.«
    Joeys Gesichtsausdruck durchlief das gesamte emotionale Spektrum von Überraschung über Unglauben und Erschrecken bis hin zu etwas, das Panik ähnelte. »Ja, sicher, und wenn ich es nicht ordentlich mach, dann prügelt er mich halbtot, das heißt, wenn sein Gaul mir nicht zuerst den Schädel eintritt!«
    »Das würde Mr. Slater niemals tun, Joey. Er weiß, dass ich es herausfinden würde, und er will nicht, dass ich wütend bin auf ihn.« Ich war mir einigermaßen sicher, was das anging. Nicht, dass er Angst hatte, ich könnte wütend auf ihn sein – das war ihm mehr oder weniger egal –, aber er hatte Angst, ich könnte ihm Vorträge halten. »Du kannst schließlich nicht für den Rest deines Lebens auf der Straße bleiben und nichts tun, Joey.«
    »Ich denk nich nach über den Rest meines Lebens«, warf Joey ein. »Das wär reine Zeitverschwendung, wär das. Vielleicht hab ich ja gar keinen Rest.«
    »Was? Keinen Rest?«
    »Das weiß schließlich niemand, oder?«, entgegnete Joey in einem überraschend philosophischen Anflug. »Ich könnt Cholera kriegen. Oder ich könnt ermordet werden, wie der alte Bursche, dieser Tapley. Ich könnt …«, er blinzelte mich wild an. »Ich könnt von einer Kutsche überrollt werden!«
    »Sicher, das könnte sein«, pflichtete ich ihm bei. »Und wenn du weiterhin so auf der Straße lebst, wie du das jetzt tust, dann ist das sogar mehr als wahrscheinlich. Warum kommst du nicht einfach mit mir mit zu Wally Slater? Einen Versuch muss es doch wert sein.«
    »Also schön«, erklärte sich Joey widerwillig einverstanden. »Aber wenn er anfängt, mich zu schlagen, oder wenn der blöde Gaul nach mir schnappt, bin ich weg!«
    »Gut. Einverstanden also. Nelson ist ein sehr ausgeglichenes Pferd, und ich

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