Ein guter Blick fürs Böse
bin sicher, dass er nicht beißt. Bevor wir zu Wally gehen, sollten wir dich vielleicht ein wenig frisch machen.«
»Mich … frisch machen ?« Jetzt war Joeys Entsetzen durch nichts mehr verborgen. »Was meinen Sie damit?«
»Nun, ich kann dich doch unmöglich zu Wally mitnehmen, ohne dich vorher zu waschen und dir saubere Sachen zum Anziehen zu …«
»WASCHEN?«
Hätte ich ihn nicht gepackt, er wäre die Straße hinuntergerannt, und ich bezweifle, dass er noch einmal zurückgekommen wäre. Er wand sich und zappelte, doch ich hielt ihn fest. Er hätte sich befreien können, hätte er seine übliche Taktik benutzt und um sich getreten und gebissen, doch aus irgendeinem Grund brachte er es nicht über sich, mit zu treten oder zu beißen, und so blieb ihm am Ende nichts anderes übrig, als aufzugeben und mich nachtragend anzufunkeln.
»Ich wär nie einverstanden gewesen, wenn ich vorher gewusst hätt, was das bedeutet …« murrte er, während ich ihn mit zu uns nach Hause schleppte. »Das ist ja, als würd’ man verhaftet!«
Ich gestehe, Bessie blickte entsetzt drein, als sie ihn erblickte. »Waschen!«, rief sie.
»Ich helfe dir. Hol die Zinkbadewanne, bring sie nach draußen in den Hof, und setz ein paar Kessel auf, um Wasser heiß zu machen.«
»Ich werd ertrinken!«, jammerte Joey widerspenstig.
»Nicht in einer Badewanne, Joey, während Bessie und ich danebenstehen.«
»Ich zieh nicht all meine Sachen vor Frauen aus!«
»Also schön. Ich gebe dir Seife und ein Handtuch, und Bessie und ich warten in der Küche.«
Er blickte weinerlich drein. »Ich krieg eine Lungenentzündung, ganz bestimmt! Die Lunge ist sehr empfindlich. Daran kann man sterben, ganz schnell kann man daran sterben!«
»Nicht, wenn du dich beeilst, Joey. Komm jetzt, genug geredet. Und vergiss nicht, dir die Haare zu waschen!«
Wir füllten die Wanne mit heißem Wasser, gaben Joey ein Stück Seife und das Handtuch, nahmen ihm das Versprechen ab, nicht wegzulaufen, und sagten ihm, dass er anfangen konnte. Er schnüffelte an der Seife und jammerte, er würde riechen wie ein braver Junge.
Wir zogen uns in die Küche zurück. Bessie, die durch das Fenster spähte, berichtete mir, dass Joey in die Wanne gestiegen war und sich damit die Zeit vertrieb, Wasser auf die Katze des Nachbarn zu schnippen.
»Wenigstens kommt ein Teil des Drecks von ihm runter«, sagte ich zu ihr. »Hier ist etwas Geld. Lauf zu dem alten Mann mit dem Karren voll Secondhand-Kleidung unten bei der Brücke. Kauf eine Hose und ein Hemd, und eine Jacke, wenn es geht. Ich weiß nicht, welche Schuhgröße er hat, aber er kann auch ein paar Stiefel gebrauchen.«
»Ich hole sie groß genug. Wir können Zeitungspapier hineinstopfen, wenn es nötig ist«, sagte Bessie.
Als sie zurückkehrte, saß Joey in sein Handtuch gewickelt und dampfend vor dem Ofen in der Küche, einen Becher heißen Tee in der Hand. Der Ofen qualmte recht übel, weil ich seine alten Sachen hineingestopft hatte, aber Qualm machte Joey nichts aus. Ich hatte ihm die Haare geschnitten, und obwohl ich kein Barbier bin, sah es recht ordentlich aus. Joey hatte die Prozedur ohne viel zu protestieren über sich ergehen lassen. Ich denke, er hatte sich in das Unausweichliche gefügt. In seinen neuen (gebrauchten) Sachen sah er aus wie ein neuer Mensch, bis auf die Stiefel, die ihn verunsicherten. Er hatte noch nie welche getragen. Er ging in der Küche unbeholfen auf und ab und hob die Füße bei jedem Schritt viel zu hoch, bevor er sie behutsam auf den Steinfußboden setzte.
»Du wirst dich daran gewöhnen«, versprachen wir ihm.
Nun, da wir alle bereit und fertig waren, hielt ich es für angebracht, dass wir uns unverzüglich auf den Weg nach Kentish Town machten, wo die Slaters wohnten. Joeys Bereitwilligkeit verebbte bereits wieder. Ich denke, die Stiefel hatten entscheidenden Anteil daran.
»Das ist doch nicht normal!«, murmelte er, als wir loszogen. »Dafür sind doch Füße da, zum drauf laufen!«
»Mit Stiefeln bist du vor spitzen Steinen sicher und musst keine Angst haben, dass dir jemand auf die Füße tritt«, sagte ich. »Außerdem sind deine Füße bei Regenwetter trocken und bei kaltem Wetter warm.«
»Aber sie machen mich langsam!«, widersprach er. »In diesen Dingern kann ich nicht rennen! Wenn ich weglaufen muss, bleibt mir nichts anderes übrig, als diese Dinger zuerst auszuziehen, und dabei werde ich dann geschnappt!«
»Hör auf, dich so anzustellen«, befahl Bessie ihm. »Du
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