Ein gutes Jahr für Zwerge?
den Blick, bis er sein Gesicht traf, und
bleckte die Zähne.
»Sie wissen doch, was Sie sagen
sollen ?« fragte Davis ruhig. »Wenn sich einer der
beiden meldet, sagen Sie, beide sollen sofort hierherkommen, denn die echte
Jodie sei hier bei uns .«
»Ich weiß, was ich sagen muß«,
sagte Calvert trotzig, während er ungeschickt die Nummer wählte.
Beim dritten Rufzeichen meldete
sich jemand, und ich lauschte Calvert, wie er seinen einstudierten Dialog
herunterstotterte. Als er am Ende angelangt war, gab er ein asthmatisches
Winseln von sich, das seine Worte komplett zu ersticken drohte. Dann horchte er
ein paar Sekunden lang, grunzte ein paarmal und legte auf.
»Was ist los ?« fragte Davis ruhig.
»Die beiden kommen gleich
herüber«, ächzte Calvert mühsam.
»Wer war am Telefon ?« beharrte Davis.
»Gloria.«
Davis setzte seinen Derby-Hut
auf, ergriff seinen Stock und kletterte kunstgerecht auf den imitierten Sattel
des nächsten Barhockers. Ich sah, wie er sorgfältig Hut und Stock neben sich
auf die Bar legte, dann beide Hände flach vor sich legte und leise mit den
Fingern zu trommeln begann.
»He, Clark !« sagte er, ohne den Kopf zu wenden. »Wie wär’s mit einem Drink ?«
»Der Teufel soll Sie holen !« wimmerte Calvert voller Selbstmitleid. »Wenn dieser
Schmerz in meiner Brust nicht nachläßt, werde ich sicher sterben .«
»Wer wird einen dicken, fetten
Tropf wie Sie schon vermissen ?« sagte Davis beinahe
glücklich. »All diese reizenden Nackedeis müßten sich wieder ehrlich als Fünfzigcentnutten ihren Lebensunterhalt verdienen .«
»Ich werde Ihnen was zu trinken
geben«, sagte ich und ging um die Theke herum.
»Gießen Sie sich selber auch
was ein, wenn Sie schon dabei sind, Barkeeper !« Davis
nahm seinen Stock, schwang ihn hoch in die Luft und ließ ihn bösartig auf die
Theke niedersausen. »Drinks für alle! Und wer kommt als nächster in den
luftleeren Keller? Sie — Dicker, mit den Schmerzen in der Brust?«
»Bitte!« Calvert ächzte
verzweifelt. »Lassen Sie mich in Ruhe !«
»Hat jemand Jodie in Ruhe
gelassen ?« fauchte Davis. »Sie war kein abgetakelter,
fetter Tropf wie Sie, Clark! Sie war gerade siebenundzwanzig Jahre alt, jung,
blond und schön. Und jemand hat ihr ein Messer in die Brust gestoßen! Und eine
nutzlose Masse schlecht funktionierender Körperteile wie Sie, Clark, lebt
weiter !«
Das Telefon am Ende der Bar
klingelte einmal und verstummte dann.
»Das war ein Anruf vom Tor«,
murmelte Calvert. »Sie werden in zwei Minuten hier sein .«
Ich stellte das Glas vor Davis
auf die Bar und sah den Ausdruck in seinen Augen. »Wenn Sie herausfinden
wollen, wer Jodie umgebracht hat«, sagte ich, »werde ich eine Menge reden, und
Sie werden zuhören müssen. Vielleicht gefällt Ihnen einiges von dem, was Sie
erfahren werden, nicht, aber Sie werden den Mund halten müssen .«
»Wollen Sie mir vielleicht
sagen, was jetzt geschieht, Holman ?« knurrte er.
Ich zuckte die Schultern. »Wenn
wir selber mit der Sache nicht fertig werden, bleibt uns nur die Polizei .«
»Ich werde zuhören«, sagte er
mit dünner Stimme. »Und was mir nicht gefällt, werde ich mir für später merken .«
Geräusche an der Haustür veranlaßten Davis, in starres Schweigen zu verfallen. Und
selbst Calverts Ächzen schien etwas leiser zu werden. Dann platzten Gloria und
Pierce wie ein Miniaturtornado ins Zimmer.
»Wo ist sie ?« fragte Gloria eifrig, und ihre Augen glänzten. »Wo ist Jodie ?«
Davis drehte sich auf seinem
Sattel mit einem Ruck zu ihr um, und ich war ihm ausreichend nahe, um sein
unterdrücktes schmerzliches Wimmern zu hören, als er das hochaufgesteckte
weizenblonde Haar auf Glorias Kopf sah.
»Was ist ?« fragte sie scharf, während sie sich schnell umsah. »Ist was nicht in Ordnung?
Wo ist Jodie ?«
»Sie ist hier«, sagte ich. »Sie
ist fast überhaupt nicht weg gewesen, jedenfalls nicht während der letzten zwei
Wochen .«
»Ich verstehe nicht .« Pierce starrte mich finster an. »Was, zum Teufel, soll
das heißen, Holman ?«
»Die beiden letzten Wochen über
ist sie hier in einem der Kellergewölbe gewesen, in denen die Filme gelagert
werden«, sagte ich. »Sie liegt in einer Lieferkiste, und der Griff eines
Messers ragt ihr aus der Brust .«
Gloria gab einen wilden Schrei
von sich und brach in einen Tränenstrom aus. Pierce legte einen schützenden Arm
um sie, während seine blaßblauen Augen mich nach wie
vor düster betrachteten.
»Soll das heißen, daß
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