Ein Hauch von Schnee und Asche
Seite, und die Nase des Bootes wandte sich folgsam dem Ufer zu.
Es war kalt auf dem Wasser; sie war dankbar für den dicken Umhang, den er um sie gelegt hatte, bevor er sie in das Boot dirigierte. Dennoch hatte die Kühle der Nacht und der offenen See wenig mit dem leisen, ununterbrochenen Zittern zu tun, das ihre Hände beben und ihre Füße und Finger taub werden ließ.
Leises Gemurmel unter den Piraten, weitere Anweisungen. Bonnet sprang in das hüfttiefe, schlammige Wasser, watete in die schwarzen Schatten und schob den dichten Pflanzenwuchs beiseite, so dass plötzlich das glatte Wasser des verborgenen Kanals dunkel vor ihnen aufglänzte. Das Boot schob sich unter überhängenden Bäumen hindurch, dann bremste es, sodass sich Bonnet über das Dollbord ziehen konnte und spritzend und triefend wieder an Bord kam.
Ein markerschütternder Schrei erscholl so dicht in ihrer Nähe, dass Brianna hämmernden Herzens zusammenfuhr, bevor sie begriff, dass es nur ein Vogel irgendwo im Sumpf war. Ansonsten war die Nacht still bis auf das gedämpfte, rhythmische Plätschern der Ruder.
Sie hatten Josh und die Fulani-Männer mit in das Boot gesetzt; Josh saß zu ihren Füßen, eine geduckte schwarze Gestalt. Er zitterte; sie konnte es spüren. Sie zog ein Stück ihres Umhangs unter sich hervor, legte es über ihn und legte ihm darunter die Hand auf die Schulter, um ihm Mut zu spenden, sofern sie das konnte. Eine Hand hob sich, legte sich sanft auf die ihre und drückte zu, und auf diese Weise verbunden fuhren sie langsam in die unbekannte Finsternis unter den tropfnassen Bäumen.
Es wurde hell am Himmel, als das Boot eine kleine Anlegestelle erreichte. Rosa gefärbte Wolkenstreifen zogen sich über den Horizont. Bonnet sprang hinaus und hielt ihr die Hand entgegen. Widerstrebend ließ sie Josh los und stand auf.
Ein Haus stand halb verborgen zwischen den Bäumen. Es war aus grauen Brettern gezimmert und schien in den Resten des Nebels zu versinken, als sei es nicht ganz echt und könnte jeden Moment verschwinden.
Doch der Gestank, den der Wind mitbrachte, war überaus real. Sie hatte ihn noch nie selbst gerochen, hatte aber einmal gehört, wie ihre Mutter ihn lebhaft beschrieb, und erkannte ihn auf Anhieb – den Geruch eines Sklavenschiffs, das vor der Insel vor Anker lag. Josh erkannte ihn ebenfalls; sie hörte, wie er plötzlich aufkeuchte und dann in hastiges Gemurmel verfiel – er betete das »Ave Maria« auf Gälisch, so schnell er konnte.
»Bring die drei zu den anderen in die Umzäunung«, befahl Bonnet dem Seemann. Er schubste Josh auf ihn zu und wies mit einer Geste auf die Fulani. »Dann fahr zum Schiff zurück. Sagt Mr. Orden, wir legen in vier Tagen nach England ab; er kümmert sich um die Vorräte. Kommt mich am Samstag holen, eine Stunde vor der Flut.«
»Josh!« Sie rief ihm nach, und er sah sich mit vor Angst geweiteten Augen um, doch der Seemann drängte ihn zur Eile, und Bonnet zerrte sie in die andere Richtung, den Fußweg zum Haus entlang.
»Wartet! Wohin bringt Ihr ihn? Was werdet Ihr mit ihm tun?« Sie stemmte sich mit den Füßen in den Schlamm, bekam eine Mangrove zu fassen und weigerte sich weiterzugehen.
»Ihn verkaufen, was denn sonst?« Bonnet ließ sich davon nicht rühren, ebenso wenig wie von ihrer Weigerung, sich zu bewegen. »Weiter, Schätzchen. Du weißt, dass ich dich zwingen kann, und du weißt auch, dass es dir nicht gefallen wird.« Er streckte die Hand aus, schlug ihren Umhang zurück und kniff ihr zur Demonstration fest in die Brustwarze.
Kochend vor Wut, griff sie wieder nach dem Umhang und schlug ihn fest um sich, als könnte das den Schmerz lindern. Er hatte sich bereits umgedreht und schritt den Weg entlang, absolut sicher, dass sie ihm folgen würde. Zu ihrer ewigen Schande tat sie genau das.
Die Tür wurde von einem Schwarzen geöffnet, der fast so groß war wie Bonnet selbst und sogar noch breitschultriger. Eine dicke Narbe verlief zwischen
seinen Augen, ungefähr vom Haaransatz bis zum Nasenrücken, doch sie hatte das saubere Aussehen einer mit Absicht zugefügten Stammesnarbe, nicht das einer Unfallfolge.
»Emmanuel, mein Bester!«, grüßte Bonnet den Mann gut gelaunt und schob Brianna vor sich her ins Innere des Hauses. »Sieh nur, was uns die Katze angeschleppt hat.«
Der Schwarze betrachtete sie skeptisch von oben bis unten.
»Ganz schön groß«, sagte er mit einer Stimme, in der afrikanischer Singsang mitklang. Er packte sie an der Schulter, drehte
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