Ein Hauch Von Sterblichkeit
fuhr Denis unbeeindruckt fort.
»Führen Sie die Todesstrafe wieder ein! Die Todesstrafe und …« Er zögerte auf der Suche nach dem richtigen Wort.
»Und das andere, die körperliche Züchtigung, das ist es! Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie es in der Bibel steht«, schloss er scheinheilig.
»Kümmern Sie sich gar nicht um ihn«, wandte sich Mrs. Hancock an Markby.
»Er redet die ganze Zeit so, aber er meint es nur gut. Hier herein.«
Libby Hancock saß in dem hübschen kleinen Vorderzimmer neben einem Kohleofen. Zwei Wellensittiche, einer blau, der andere grün, hüpften in ihrem Käfig aufgeregt auf und ab. Als der Fremde eintrat, setzte ein erschrockenes Zwitscherkonzert ein.
»Sie beruhigen sich gleich wieder«, erklärte Mrs. Hancock.
»Der Gentleman möchte sich auf ein Wort mit dir unterhalten, Libby. Er ist von der Polizei.«
»Hallo Libby«, begrüßte Markby die junge Frau.
»Hallo«, antwortete Libby fast unhörbar leise.
»Ich bringe eine Tasse Tee«, sagte Mrs. Hancock. Sie ging
nach draußen, und Markby hörte, wie sie sich lebhaft mit ihrem Bruder unterhielt.
»Haben Sie Onkel Denis kennen gelernt?«, fragte Libby. Markby grinste.
»Ja. Wohnt er hier?« Statt einer Antwort lächelte sie schwach.
»Leider ja. Er ist auf seine Weise ganz in Ordnung. Wahrscheinlich verlässt er bald das Haus, auf seiner Runde zu den Buchmachern. Es wird ruhiger, wenn er erst fort ist.« Bei den letzten Worten nahm ihre Stimme einen sehnsuchtsvollen Unterton an, und Markby fragte sich, ob sie vielleicht eine permanente Abwesenheit ihres Onkels gemeint hatte. Er musterte sie. Sie war eine stämmige junge Frau, und obwohl sie an diesem Tag nicht mehr zur Arbeit musste, trug sie noch immer den blauen Pullover und Rock und die stabilen Schnürschuhe, die zur Postuniform gehörten. Sie war am Morgen zur Arbeit gegangen und nach Hause geschickt worden. Markby erzählte ihr, dass er auf der Postverteilstelle gewesen war.
»Ich wäre geblieben!«, sagte sie aufgeregt.
»Ich lasse meine Kollegen nicht gerne im Stich! Irgendjemand muss meine Runde fahren, nachdem er seine absolviert hat, und die Leute kriegen ihre Post zu spät!«
»Die Leute in Ihrem Bezirk werden Verständnis haben. Und Sie, Libby, haben Sie nichts dagegen, wenn wir uns über gestern unterhalten?« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Aber ich kann Ihnen überhaupt nichts sagen, was Ihnen weiterhelfen könnte. Ich kann es immer noch nicht glauben!« Ihre Stimme sank erneut zu einem Flüstern herab.
»Geh aus dem Weg, Denis!«, hörten sie Mrs. Hancocks ärgerliche Stimme von draußen herein.
»Ich wollte dir doch nur die Tür aufmachen!«, protestierte Denis. Mrs. Hancock betrat das Zimmer mit einem Tablett voll Teetassen und Gebäck. Sie stellte es vor ihrem Gast ab, während Denis hoffnungsvoll im Hintergrund lauerte. Dann zog sie sich wieder zurück und drängte ihren Bruder vor sich her nach draußen. Die Tür schloss sich. Die Wellensittiche hatten sich inzwischen beruhigt. Einer pickte an einem Hirsekolben, der andere balancierte auf einer kleinen Schaukel. Markby überlegte, dass Denis ohne Zweifel ein sehr behagliches Leben in diesem gemütlichen Heim führte. Er fragte sich, ob der Bruder von Mrs. Hancock einer Arbeit nachging.
»Ich bin gestern zur Arbeit gefahren, wie gewöhnlich«, begann in diesem Augenblick Libby mit ihrem Bericht.
»Ich war kurz vor fünf da.« Fünf Uhr morgens an einem kalten Wintertag. Während Denis wahrscheinlich noch tief und fest geschlafen hat, dachte Markby so bei sich, macht sich seine Nichte in die frostige Morgendämmerung davon, um arbeiten zu gehen. Ärger stieg in ihm auf. Er nahm eine Tasse vom Tablett und reichte sie der jungen Frau. Libby nahm die Tasse geistesabwesend entgegen.
»Castle Darcy hatte nicht viel Post, aber ein paar Päckchen. Eines davon ein wattierter Umschlag, adressiert an die Caswells. Es war ziemlich schwer, und wer auch immer der Absender war, er hat das Päckchen überfrankiert. Ich erinnere mich noch, wie ich zu Mrs. Caswell gesagt habe, dass es immer besser ist, die Sachen wiegen zu lassen, weil man damit viel Geld sparen kann.« In plötzlichem Ärger blickte sie Markby an.
»Ich hätte darauf kommen müssen – ich hätte wissen müssen, dass irgendetwas damit nicht stimmen konnte! Es ist einer der Punkte, auf die wir achten sollen. Ein Päckchen, das offensichtlich nicht an einem Postschalter abgegeben worden ist, sondern einfach so in einen Briefkasten gestopft
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