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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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sein Kinn auf ihrem Haar. »Kannst du dich an deinen Vater überhaupt noch erinnern?«
    Obwohl eingelullt und entspannt, zögerte sie mit ihrer Antwort. Die Erinnerungen an ihren Vater waren wie ihre Träume vom Fliegen eine überaus persönliche Angelegenheit und wurden gehütet wie ein Goldschatz. Im wachen Zustand wusste Christina natürlich, dass sie nicht einfach mit den Armen herumwedeln und sich in die Lüfte schwingen konnte. Aber dieses Wissen hinderte sie nicht daran, es in ihren Träumen zu tun und sich dabei unglaublich wohl und absolut frei zu fühlen. So war es auch mit ihren Vorstellungen von ihrem Vater gewesen. Zumindest bis zum heutigen Tag.
    An ihn zu denken hatte ihr genügt, um sich geliebt zu fühlen. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, um die Wärme zu spüren, mit der seine Hand die ihre umschloss. Um die Augen zu sehen, die vor Freude sprühten, wenn ihr Blick auf sie fiel. Um die tiefe und freundliche Stimme zu hören, die ihr sagte, dass der Mann im Mond erst lächeln konnte, seit sie geboren worden war. Ihr Leben änderte sich mit seinem Verschwinden. Die sanften liebevollen Begegnungen wurden zu Erinnerungen, zu einem Schutzschild gegen die feindliche Welt, in der sie ohne ihn bestehen musste.
    Von Zeit zu Zeit hatte sie mit ihrem Erinnerungsvermögen gehadert. Sie war damals knapp vier Jahre alt gewesen. Woran konnte sie sich da wirklich erinnern? War der Jessie Reed ihrer Erinnerungen eine Erfindung gewesen, weil sie jemanden brauchte, der ihr seine Liebe schenkte?
    »Erinnern?«, wiederholte sie. »Kaum.« Über die Fakten konnte sie sprechen. »Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich zwei war. Dann ist meine Mutter nach Mexiko zurückgegangen, zu meinen Großeltern. Danach habe ich ihn nur noch ein paar Mal getroffen.«
    »Carmen hat nie von ihm erzählt?« Er umkreiste ihren Bauchnabel mit seinem Zeigefinger und hielt inne, um an dem Ring in ihrem Nabel zu zupfen.
    »Nie. Das Wenige, was ich weiß, habe ich von meinem Cousin Ricky gehört, dem Ältesten von Onkel Mario. Lauter schlimme Sachen. Ricky hat mich gehasst.« Sie lächelte. »Aus gutem Grund. Ich bin als Kind total gemein zu ihm gewesen. Mit den schlimmen Geschichten über meinen Vater und meine Mutter hat er es mir heimgezahlt. Er wusste, dass mir das wehtun würde.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Meine Mutter war schwanger gewesen, als sie meinen Vater kennenlernte. Ihr Vater hatte sie rausgeworfen, und sie lebte bei Onkel Mario. Ricky erzählte mir, mein Vater hätte sie nur geheiratet, weil sie ihm leidtat und sie sonst keiner wollte.«
    »Moment mal. Ich dachte, Jessie ist dein Erzeuger?«
    »Sie hat das Baby verloren. Ich wurde ein Jahr später geboren, nach ihrem Umzug nach San Diego.»
    Randy stützte sich auf seine Ellbogen und starrte sie an.
    »Was denkst du?«
    »Er könnte mehr Geld haben, als wir glauben. Wenn er mal reich war, hat er es vielleicht ein zweites Mal geschafft. Ich habe was über Kerle wie deinen Onkel und ihn gelesen. Eine Pleite hält sie nicht davon ab, es noch einmal zu versuchen. Manche nehmen drei oder vier Anläufe, bis sie mit einer Idee den Durchbruch schaffen.«
    »Und?«
    »Was ist, wenn es nicht Schuldgefühle sind, die ihn antreiben? Was ist, wenn er sein Geld nicht nur gemeinnützigen Einrichtungen hinterlassen will, sondern dir? Vielleicht solltest du dir das Flugticket lieber nicht auszahlen lassen.« Randy redete sich richtig in Rage. »Das könnte ihm einen ganz falschen Eindruck von dir vermitteln.« Er setzte sich auf. »Er soll nicht denken, du wärst nur hinter dem Geld her.«
    »Als ob er auch nur eine Sekunde etwas anderes denkt.«
    »O Mann, das ist vielleicht schräg.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Was für ein Riesenglück! Wer konnte denn damit rechnen, dass dein steinreicher und todkranker Vater noch lebt und alles dir hinterlassen will? Herr im Himmel, das wäre die Antwort auf all unsere Gebete.«
    Randy musste entweder denken, sein herzloses Geschwätz wäre ihr egal, oder ihm war in seiner Aufregung gar nicht klar, wie er sich anhörte.
    »Du bist doch sein einziges Kind, oder?«
    »Ich glaube schon. Aber es könnte auch noch ein Dutzend weitere geben.«
    »Nicht in seinem Alter. Und selbst wenn da noch ein oder zwei andere Nachkommen sind – wen würde das kümmern? Himmel, Christina, stelle dir bloß vor, was das bedeuten könnte. Wer so viel Geld für eine Reise ausgibt, hat bestimmt genug davon.«
    In seiner wachsenden Aufregung sprang Randy

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