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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Selbstverständlichkeit, daß sie ihre Kinder am Zug empfing. Da sie keinen Wecker besaß, borgte sie sich den Glockenwecker von Holldorfs aus. Herr Holldorf selber stellte ihn auf halb vier ein. Um ganz sicherzugehen, daß sie das Läutwerk nicht überhören werde, quartierte sich die alte Frau Düsenengel schon für diese Nacht in der Kammer auf dem Sofa ein, wo sie vor Kreuzschmerzen wenigstens einmal von Stunde zu Stunde aufwachen würde.
    Die Wand zwischen ihrer Schlafkammer und Holldorfs Schlafzimmer war so dünn, daß das Läutwerk - zwei Glocken, an welche die Klöppel mit rasender Geschwindigkeit trommelten - Holldorfs aus dem Schlaf riß.
    »Der weckt «wahrhaftig Tote auf«, murmelte Herr Holldorf, bevor er sich auf die andere Seite drehte, um weiterzuschnarchen. Frau Holldorf schlief nicht so rasch wieder ein. Unwillkürlich lauschte sie zur Nachbarwohnung hinüber. Wenn die Mauer auch nicht so dünn war, daß man jedes Geräusch hörte - Gott sei Dank! -, irgend etwas, das Rücken eines Stuhls oder das Rauschen der Wasserleitung hätte man hören müssen. Aber alles blieb stumm, und Frau Holldorf wurde es ein wenig unbehaglich zumute.
    »He, Fritz!« Sie rüttelte ihren Mann, der einen unwilligen Knurrlaut von sich gab, nachdem er den letzten Schnarcher mit einem jappenden Luftholen abgebrochen hatte.
    »Ja, was is’n los?«
    »Du, drüben rührt und regt sich nichts.«
    »Quatsch«, brummte er, »das gibt es nicht, daß sie unseren Wecker überhört hat. Taub ist sie ja schließlich nicht. Also gib ‘ne Ruhe und laß mich schlafen.«
    Aber Frau Holldorf ließ es keine Ruhe. Um ihren Mann nicht noch einmal zu wecken, schlüpfte sie in ihre Pantoffeln und zog den Morgenrock an, um drüben bei Frau Düsenengel an der Wohnungstür zu läuten und sie auf diese Weise zu wecken, falls sie den Wecker tatsächlich überhört haben sollte. Die Türklingel schrillte durch das ganze Treppenhaus, aber niemand öffnete ihr. Sie lief in die eigene Wohnung zurück und rüttelte ihren Mann an der Schulter.
    »Steh auf, Fritz! Und mach rasch! Drüben ist bestimmt etwas mit der alten Düsenengelschen passiert. Sie meldet sich nicht. Ich war gerade draußen und habe an ihrer Tür geschellt.«
    Und sie trommelte, während sich Fritz das Nachthemd in die Hose stopfte, mit beiden Fäusten gegen die Wand. Er sah ihr halb amüsiert zu.
    »Schlag dir nur nicht die Fingerchen blutig, Hertakind. So wie ich die alte Düsenengelsche kenne, hat es ihr keine Ruhe gelassen, und sie ist schon gestern abend auf den Bahnhof marschiert und sitzt da auf ‘ner Bank in der Halle.«
    »Ich habe ein ungutes Gefühl, Fritz. Lauf hinaus und schau nach, ob der Schlüssel von innen steckt.«
    »Das werden wir gleich haben«, meinte er und machte sich nicht allzu eilig davon. Aber als er nach einer halben Minute zurückkam, war in seinem Gesicht keine Spur mehr von dem gutmütigen Spott zu entdecken, mit dem er das >ungute Gefühl< seiner Frau aufgenommen hatte.
    »Du«, sagte er ein wenig abgeschnürt, »der Schlüssel steckt tatsächlich von innen im Schloß.« Und dann erhob auch er die Fäuste, um gegen die Zwischenwand zu donnern.
    Der Oberst Aurel von Krappf hatte einen leichten Schlaf; darauf war er sozusagen trainiert. Daß es oben bei Holldorfs einen Ehekrach gab, wobei die Scherbenmännchen am Werk waren, dafür war die Stunde zu ungewöhnlich, und außerdem wäre es das erstemal gewesen, daß so etwas geschah. Aber was es auch immer sein mochte, es war höchst ungehörig, um vier Uhr morgens solch einen Radau zu machen. Er fuhr übelgelaunt mit Boxstößen in die Ärmel seines braunen Schlafrocks, verschnürte die weiße Kordelschnur über den knochigen Hüften und erschien, wie ein Kapuzinermönch anzusehen, auf dem Flur, um scharf nach oben zu bellen, daß er sich diesen Krach energisch verbäte!
    Oben läutete Herr Holldorf an der Wohnungstür von Frau Düsenengel Sturm. Auch die Kinder waren von dem Lärm wach geworden und huschten in ihren Nachthemden wie kleine Gespenster in der Wohnung herum. Frau Holldorf hatte Mühe, sie in ihre Betten zurückzuscheuchen.
    Holldorf beugte sich über das Stiegengeländer. Seine Haare standen wirr, wie er aus dem Bett gekommen war, um den Schädel.
    Der Oberst, dem alles Wirre und Unordentliche verhaßt war, kniff den schmalen Mund bei diesem Anblick noch strenger zusammen.
    »Sie wissen doch, Herr Oberst, daß die alte Frau Düsenengel heute ihre Tochter und den Schwiegersohn aus Amerika zu

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