Ein Held unserer Zeit
Schauspiel: Ein weiter, saalartiger Raum, dessen Dach auf zwei von Rauch geschwärzten Balken ruhte, war mit einer Menge Menschen angefüllt. In der Mitte brannte ein armseliges Feuer auf dem Boden, und der in Wirbeln aufsteigende Rauch, welcher durch eine im Dache angebrachte Oeffnung hätte hinausziehen sollen, wurde vom Winde zurückgetrieben und verbreitete daher eine solche Finsterniß um uns her, daß es mir längere Zeit unmöglich war, etwas zu unterscheiden.
Um das Feuer hockten zwei alte Weiber, eine große Anzahl Kinder und ein gebrechlicher Georgier; Alle in Lumpen. Was sollten wir machen? Wir mußten uns mit unserm Quartier begnügen! Wir ließen uns am Feuer nieder, steckten unsere Pfeifen an, und bald begann die Theemaschine fröhlich zu singen.
"Ein armseliges Volk!" sagte ich zu dem Stabscapitain, indem ich auf unsere schmutzigen Wirthe zeigte, die uns mit einer gewissen Bestürzung stumm betrachteten.
"Und noch dazu sehr dumm!" versetzte mein Reisegefährte. "Sie verstehen nichts, zu nichts sind sie fähig, ohne jede Anlage zur Cultur ... es ist unglaublich! Da sind doch wenigstens unsere Kabardiner und Tschetschenzen, obgleich wilde Räuber, unerschrockene Taugenichtse, während dieses Gesindel von Osseten nicht den geringsten Geschmack an dem Waffenhandwerk hat. Sie werden nicht einmal einen halbwegs brauchbaren Dolch bei ihnen finden. Ein heruntergekommenes Volk, diese Osseten!"
"Sind Sie lange im Lande der Tschetschenzen gewesen?"
"Zehn Jahre war ich dort; ich stand mit meiner Compagnie in dem Fort bei Kamenoibrod, – kennen Sie das?"
"Ich habe davon gehört."
"Ja, mein Lieber, diese Kopfabschneider machten uns zu schaffen! Gegenwärtig halten sie sich Gott sei Dank etwas ruhiger; aber früher, wenn man sich nur hundert Schritt von den Wällen entfernte, – da lag so ein Teufelskerl in irgend einem Versteck und lauerte einem auf: man hatte kaum die Zeit, zu gähnen – da flog einem eine Schlinge um den Hals oder eine Kugel in den Kopf. Sind das Bursche!"
"Da haben Sie gewiß manches Abenteuer erlebt?" sagte ich neugierig.
"Das sollt' ich meinen! Manches Abenteuer ..."
Bei diesen Worten begann er an seinem großen Schnurrbart zu zupfen; dann stützte er den Kopf in die Hand und versank in Nachdenken.
Ich hätte mir gern die eine oder andere Geschichte von ihm erzählen lassen – ein Wunsch, der bei einem reisenden Schriftsteller sehr natürlich ist. Aber der Thee war schon fertig. Ich zog aus meinem Mantelsack zwei kleine Tassen, goß sie voll und stellte die eine vor meinen Gefährten hin. Er schlürfte das heiße Getränk und wiederholte dabei, wie wenn er mit sich selbst spräche: "Ja, ja, manches Abenteuer habe ich erlebt!"
Dieser Ausruf gab mir neue Hoffnung. Ich weiß, daß die Veteranen des Kaukasus gern plaudern und erzählen. Sie haben dazu so selten Gelegenheit! Fünf Jahre hindurch bleibt mancher mit seiner Compagnie auf irgend einem verlorenen Posten, und während dieser ganzen fünf Jahre vernimmt er nicht ein einziges Mal die alltäglichen Worte: "Wie geht's Ihnen, Hauptmann?" – aus dem ganz einfachen Grunde, weil der Unteroffizier zu seinem Vorgesetzten sagt und sagen muß: "Ich wünsche Ihnen guten Tag ..." Und doch hätte er so viel Stoff zum Reden! Er lebt mitten unter einem wilden, merkwürdigen Volke; jeder Tag bringt die eine oder andere Gefahr, bald diese, bald jene außerordentlichen Ereignisse, – da muß man sehr bedauern, daß über ein solches Leben bei uns so wenig geschrieben wird.
"Nehmen Sie keinen Rum?" sagte ich zu meinem Reisegefährten. "Ich habe weißen aus Tiflis mitgebracht ... und bei so kaltem Wetter ..."
"Nein, ich danke, ich trinke nie geistige Getränke."
"Warum nicht?"
"Ich hab's verschworen. Als ich noch einfacher Lieutenant war, da fand einmal ein Zechgelage bei uns statt; und in der folgenden Nacht wurde Alarm geschlagen. Sie können sich denken, in welchem Zustande wir ins Feuer eilten! Alexis Petrowitsch erfuhr die Geschichte, – mein Gott, wie gerieth er in Wuth! Wenig fehlte, so hätte er uns vor ein Kriegsgericht gestellt. Zu andern Zeiten kann oft ein ganzes Jahr vergehen, ohne daß man eine Seele zu sehen bekommt; aber Sie begreifen, in einem Lande, wo man immer auf dem Posten sein muß – sobald man da ein wenig zu viel trinkt, ist man verloren." Als ich solche Worte hörte, verlor ich fast alle Hoffnung auf eine Geschichte.
"Da haben Sie z.B. die
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