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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Tscherkessen," fuhr er fort; "wenn die ihre Busa trinken, sei's auf einer Hochzeit oder bei einem Begräbniß, so kommt es immer zu einem Gefecht. Einmal wurde ich fast mit Gewalt zu einer solchen Festlichkeit hingeführt, wo es mir bald übel ergangen wäre, und noch dazu bei einem mit uns in Frieden lebenden Fürsten."
     
    "Was fiel denn vor?"
     
    "Ich will's Ihnen erzählen," versetzte er. Hier unterbrach sich der Hauptmann, um seine Pfeife zu stopfen; als er sie angesteckt, fuhr er folgendermaßen fort:
     
    "Zunächst muß ich Ihnen bemerken, daß ich damals mit meiner Compagnie in einem Fort jenseit des Terek lag – es werden bald fünf Jahre her sein. Eines Tages im Herbst sahen wir einen Transport Proviant herankommen; bei demselben befand sich ein Offizier, ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren. Er machte mir in Galauniform die Aufwartung und theilte mir mit, daß er den Befehl habe, bei mir im Fort zu bleiben.
     
    Er hatte eine so feine weiße Haut, einen so zarten Teint und eine so glänzende neue Uniform, daß man es ihm sofort ansah, er müsse sich erst seit ganz kurzer Zeit im Kaukasus befinden."
     
    "Sie sind vermuthlich", sagte ich zu ihm, "hierher in die Verbannung geschickt."
     
    "Ganz recht, Herr Stabscapitain," versetzte er.
     
    "Es freut mich sehr, Sie bei uns zu sehen," entgegnete ich und reichte ihm die Hand. "Sie werden sich hier ein wenig langweilen; allein ich hoffe, wir werden als gute Freunde mit einander leben. Was mich betrifft, nennen Sie mich einfach Maxim Maximitsch, – und diese Galauniform, – bitte, kommen Sie ganz einfach in der Mütze zu mir."
     
    "Es wurde ihm ein Quartier angewiesen und er richtete sich in dem Fort ein."
     
    "Wie hieß er?" fragte ich.
     
    "Gregor Alexandrowitsch Petschorin. Ein ausgezeichneter Junge, kann ich Ihnen sagen; nur ein wenig seltsam. So z.B. konnte er bei Frost oder Regenwetter ganze Tage auf der Jagd zubringen. Jeder Andere wäre von solch einer Expedition erstarrt oder todtmüde zurückgekommen, – er wußte von gar nichts. Ein anderes Mal zog er sich in sein Zimmer zurück wie ein altes Weib und fürchtete sich bei dem geringsten Lufthauch zu erkälten und fröstelte und erblaßte, sobald das Fenster geöffnet wurde; und dabei habe ich ihn mit eigenen Augen ganz allein einen Eber angreifen sehen! Manchmal verbrachte er ganze Stunden bei mir, ohne auch nur einmal den Mund aufzuthun, wogegen er wieder zu anderen Zeiten plötzlich anfangen konnte Geschichten zu erzählen, daß man sich vor Lachen den Bauch halten mußte ... Ja, ja, er war ein merkwürdiger Mensch; übrigens mußte er auch sehr reich sein: er besaß eine solche Menge kostbarer Gegenstände!"
     
    "Und haben Sie lange mit ihm zusammengelebt?" fragte ich wieder.
     
    "Etwa ein Jahr. Ich werde es nie vergessen, dieses Jahr! Wie manche Sorge hat er mir gemacht! ... Es scheint fast, als ob es Menschen gäbe, die schon von Geburt an zu außerordentlichen Abenteuern bestimmt sind."
     
    "Außerordentliche Abenteuer!" rief ich noch neugieriger, indem ich dem Hauptmann eine neue Tasse Thee eingoß.
     
    "Ich will Ihnen aus unserm damaligen Leben einen Vorfall erzählen. Sechs Werst von dem Fort wohnte ein mit uns in Frieden lebender Fürst. Sein Sohn, ein Knabe von fünfzehn Jahren, kam fast täglich zu uns, bald unter diesem, bald unter jenem Vorwande, und wir verhätschelten ihn vollständig, Petschorin und ich. So jung er auch noch war, an Geschicklichkeit und Verwegenheit that's ihm keiner zuvor: In vollem Galopp hob er seine Mütze von der Erde auf, und wie er zu schießen verstand, – das war ganz wunderbar! Nur einen Fehler hatte er an sich: Er besaß eine schreckliche Leidenschaft für das Geld. Eines Tages versprach ihm Petschorin scherzend einen Dukaten, wenn er den schönsten Bock aus den Heerden seines Vaters raube, und denken Sie sich, – in der folgenden Nacht brachte uns der Taugenichts den Bock an den Hörnern herbei! Sobald wir ihn ein wenig stark foppten, flammten ihm gleich die Augen, und die Hand fuhr sofort nach dem Dolche. ›Nun, nun, Asamat,‹ sagte ich zuweilen zu ihm, ›nicht so rasch; deine Heftigkeit könnte dir noch einmal übel bekommen!‹"
     
    "Eines Tages kam der alte Fürst, sein Vater, zu uns, um uns zur Hochzeit seiner ältesten Tochter einzuladen. Wir sollten seine Kunaks, Gäste, sein, und so durften wir, obgleich er ein Tatar war, uns nicht weigern, zu kommen. Wir gingen also hin. Beim Eintritt in den Aul 4 stürzten uns

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