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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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geweint.
    »Warum habe ich mein Zimmer nicht zugeschlossen?« Unversehens hatte sie ihre Gedanken laut ausgesprochen.
    Und nun entschloß sich auch der stumme Gast, endlich seinen Mund zu öffnen. »Genau das habe ich mich auch gefragt, vor fünf Tagen. Warum habe ich mein Zimmer nicht abgesperrt. Mein Zimmer Nummer 38, Sie erinnern sich. Sie hatten Nummer 37.« Er nannte das Hotel, in dem Bettina im ersten Rausch ihrer Karriere fast ihre gesamte Barschaft verwohnt hatte.
    »Bitte, gehen Sie jetzt oder ich schreie«, sagte sie mit vornehmer Ruhe.
    »Die Sache ist nämlich die: Die Million Lire, die in meiner Brieftasche war, hat mir gar nicht gehört«, erklärte ihr Besucher sachlich. »Ich sollte sie für meinen Vater auf die Bank bringen. Ich wäre Ihnen daher außerordentlich dankbar, wenn Sie das Geld herausrücken würden.«
    Bettina warf sich herum. Das Bett ächzte unter der Bewegung. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen.«
    »Meine Million Lire«, meinte der Fremde freundlich. »Habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt? Ich gebe ja gern zu, daß Ihnen das Geld gelegen kommt. Ein schönes Mädchen wie Sie! Ein hübsches Komplet von Marucelli, ich könnte mir für Sie auch entzückend die Kapuzenmodelle von Fausto Sarli vorstellen, auch Maria Antonelli... Aber wie gesagt: Es tut mir leid, ich brauche das Geld wieder.«
    »Ersparen Sie sich Ihre Tiraden. Gehen Sie doch in den Hydepark, wenn Sie unbedingt Reden halten wollen«, zischte Bettina. Der Mann war zweifellos ein Verrückter. »Ich werde den Padrone rufen. Mit dem können Sie sich weiter unterhalten.«
    Der Padrone war ein magenkrankes, mürrisch aussehendes altes Männchen mit dem hochtrabenden Namen Pantera. Aber er war alles andere als ein Panther. Meist hockte er schläfrig im Treppenhaus der Pension, fächelte sich mit einer zerlesenen Zeitung Luft zu und öffnete lediglich das der Treppe zugewandte linke Auge einen Spalt, wenn einer seiner Gäste das Haus verließ. Die ankommenden interessierten ihn nicht. Aber auf die weggehenden mußte man ein Auge werfen, damit sie sich nicht, ohne die Rechnung zu bezahlen, mit ihrem Gepäck aus dem Staub machten.
    Bettinas ungebetener Gast kam einen Schritt näher. »Lassen Sie den Padrone aus dem Spiel. Wir wollen die Sache doch lieber ohne Aufsehen ganz unter uns erledigen.« Er sah auf seine Zigarette, unschlüssig, ob er sie anstecken sollte. »Der Hoteldetektiv, der die Fingerabdrücke abnahm, die sich auf meiner Türklinke und dem Griff des Nachttisches fanden, in dessen Schublade ich meine Brieftasche aufbewahrte, hält ebenfalls den Mund.«
    »Was denn für Fingerabdrücke?«
    »Dieselben, die in Ihrem Zimmer festgestellt wurden, Frau Haller. Um es deutlich zu sagen: Ihre Fingerabdrücke.«
    »Wenn Sie glauben, Sie könnten mich erpressen... Mit einem billigen Trick!« Oh, mein Kopf, mein armer, armer Kopf! Bettina lechzte nach einer Tasse Kaffee.
    »Sie sind Anfängerin! Sie hätten nicht Hals über Kopf aus dem Hotel ausziehen dürfen«, sagte der Mann mitleidslos.
    »Ich mußte ‘raus! Ich hatte kein Geld mehr«, murmelte Bettina. Sie war ganz betäubt vor Kopfschmerzen und Elend.
    »Sie hatten doch meines.« Endlich entschloß der Fremde sich, seine Zigarette zurück in die Packung zu stecken. Er schien sich klar darüber geworden zu sein, daß er sich im Schlafgemach einer Dame befand. Wenigstens hoffte Bettina das. Sie besah ihn sich genauer. Sein Gesicht war wie mit einem groben Schnitzmesser geschnitten. Es erinnerte Bettina an die Heiligen, die man unter den verwitterten Dächern alter Bauernhöfe sieht. Wie alt mochte er sein? Mitte Dreißig? Seine Augen — Bettina fand sie zu blau, geradezu schmerzhaft blau für ihren Katzenjammer — leuchteten plötzlich. »Es ist schade, daß es keine Prügelstrafe mehr gibt. Ich hätte mir sie gewünscht. Für Sie!«
    Bettina war in ihrem Kater der Lage nicht gewachsen. Sie redete sich ein, daß sie dies alles nur träumte, aber als sie sich unter der Bettdecke in den Schenkel kniff, spürte sie einen heftigen Schmerz und wußte, daß dicht neben ihrem Bett tatsächlich dieser merkwürdige, mit Schweizer Akzent sprechende Lümmel stand und irgendwelche Gelder mit unzählbar viel Nullen von ihr forderte.
    »Wieso tragen Sie auch eine Million Lire mit sich herum? Über sechstausend Mark! Haben Sie noch nichts von einem Scheckbuch gehört?« fragte sie gehässig.
    »Mein Vater zählt die Scheine immer noch gern mit Daumen und Zeigefinger.

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