Ein Herz bricht selten allein
Jean!
Bettina winkte einem Taxi und sprang noch im Fahren hinein. Aber wo würde sie Jean jetzt finden? Sie war erst am Abend mit ihm verabredet und außerdem... O Gott im Himmel, sie hatte ja kein Geld! Sie konnte nicht einmal das Taxi bezahlen.
»Fahren Sie zurück in die Viale Trastevere und dann die erste Straße links hinein! Vielleicht ist es auch die zweite. Ich sage es Ihnen.«
Am hellichten Tag würde hier mitten in Rom kein Verbrechen geschehen. Ihr Kopf schmerzte. Was sie jetzt brauchte, war ein deftiges Frühstück. Dazu mußte ihr der Eidgenosse verhelfen.
Er saß in diesem entsetzlichen schwarzen Wagen und studierte den Stadtplan von Rom. »Ah, da sind Sie ja«, sagte er aufblickend. »Ich dachte schon, Sie seien weggelaufen.«
»Ich kann mein Taxi nicht bezahlen.«
»Was? Das ganze schöne Geld von meinem Vater schon beim Teufel?« Er stieg aus und bezahlte das Taxi. Dann hielt er die Tür seines Wagens für Bettina auf.
»Ich steige nicht ein«, erklärte sie. »Ich steige zu keinem fremden Mann ins Auto.«
»Gut. Gehen wir zu Fuß oder nehmen wir den Bus. Bus reimt sich auf Plus.«
Bettina sah ihn verständnislos an. Sie hatte längst vergessen, daß sie sich Frieda Plus genannt hatte.
»Wenn ich jetzt nicht eine Tasse Kaffee bekomme, gehe ich in die Knie«, erklärte sie kläglich. »Kein Mensch kann dieses Durcheinander ohne Frühstück aushalten.«
Sie gingen in die Bar an der Ecke.
»Ich möchte wissen, wie Sie zu diesem Gewerbe kommen«, sagte er, während Bettina in Gedanken den vierten Löffel Zucker in ihren Espresso kippte. Die Tasse lief über.
»Ihre Dreistigkeit wird mir langsam zu bunt. Was erlauben Sie sich eigentlich! Wie kommen Sie denn zu dem obskuren Gangsterwagen?«
»Das ist ein Leihwagen aus der Werkstatt. Bei meinem Wagen ist die Kupplung kaputt.« Seggelin stützte das Gesicht auf die Hand. »Wie geht es nun weiter?« fragte er. »Ich muß übermorgen nach Mailand zurück.«
Sie schnippte mit dem Finger einen Brösel von der Theke, um ihm anzudeuten, daß sie sich für diese Mitteilung nicht sonderlich interessierte.
Plötzlich krachte ein Schuß in ihrem Rücken. Sie wankte, griff mit beiden Händen nach der Stahlkante der Theke und hielt sich daran fest. In der Bar, die hauptsächlich von Arbeitern und Halbwüchsigen gefüllt war, entstand Lärm. Alles schrie und lachte durcheinander. Vom Boden unter Bettinas Barhocker stieg eine kleine Rauchfahne hoch, und es stank nach Schwefel.
Ein Bursche mit einer riesigen Nase und einem rotgefleckten Gesicht trat zwischen Bettina und Seggelin. »Scusi. Er ist mir weggehüpft«, sagte er. »Es war nur eine Probe für heute abend. Solstizio, Signora, verstehen Sie.«
Bettina sah verständnislos auf den Knallfrosch unter ihrem Hocker. Hauptsache aber war, daß sie nicht durch einen Schuß in den Rücken getötet worden war und in aller Ruhe ihre Schinkensemmel verzehren konnte.
»Solstizio bedeutet Sonnenwende«, sagte ihr Begleiter belehrend. »Und nun machen Sie mir einen Vorschlag, wie wir unsere Geschäfte abwickeln. Ich bin bestimmt nicht knauserig, aber eine Million Lire ist kein Pappenstiel.«
Die Sache begann Bettina zu langweilen. Sie sah sich hilfesuchend um. Der Herr in der Ecke mit den müden, geröteten Augenlidern blickte eben von der Zeitung auf und wechselte einen Blick mit Seggelin. Bestand zwischen beiden ein geheimes Einverständnis?
Seggelin legte seine Hand auf Bettinas Arm. »Zerbrechen Sie sich nicht unnötig den Kopf, mein Fräulein.«
»Ich bin eine verheiratete Frau. Dies nur zu Ihrer Orientierung.«
»Gut. Ich gebe Ihnen bis morgen um elf Uhr Zeit, elf Uhr vormittags. Ich würde mich glücklich schätzen, Sie dann zu einem erlesenen Frühstück einladen zu dürfen. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie mir vorher einen Umschlag mit Geldscheinen aushändigen.«
Bettina schluckte. Diese Sache lief also auf eine reine Erpressung hinaus. Man wollte sie fertigmachen. Man wollte ihre Nerven bis zum Zerreißen malträtieren, man wollte sie für irgendwelche Zwecke gefügig machen. Dieser ganze Humbug mit dem Film Wettbewerb war überhaupt nur ein Tarnmanöver gewesen, um sie in die Falle zu locken, und nicht nur sie, sondern auch Jean. Jean saß mit ihr in der Falle. Wie liebte sie ihn in diesem Augenblick!
Bettina spürte, wie neue Kräfte in ihr wuchsen. »Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich den heutigen Abend mit meinem Freund — Sie haben ihn sinnigerweise als Komplicen bezeichnet
Weitere Kostenlose Bücher