Ein Herz bricht selten allein
seinen derzeitigen Betthupfer zu entlassen. Ich weiß nicht, ob er dir erzählt hat, daß er gewechselt hat.«
»Gewechselt? Was gewechselt?« An Frau Hallers zutiefst verwirrtem Gesicht erkannte Bettina, daß sie über die Intimsphäre ihres Sohnes nicht im Bild war. Sie holte ohne eine weitere Erklärung Bibis Koffer aus einem Schrank in der Diele und stellte ihn neben Bettina auf den Boden.
Kurz vor Ladenschluß erreichte Bettina ihre Straße. Sie ließ das Taxi bei dem Delikatessenladen halten und kaufte so viel ein, als müsse sie eine zwölfköpfige Familie vor dem Hungertod retten. Während sie die Tragtüten zum Taxi schleppte, schickte sie einen freundlichen Gedankengruß an den Spender dieser Herrlichkeiten. Aber haben Sie keine Angst, Herr Seggelin, jetzt ist wieder Bernhard dran, für uns zu sorgen.
Bibi rannte durch die Räume wie ein Wirbelwind. Sie war außer Rand und Band vor Freude, sie jubelte, fegte im Vorbeigehen Bettinas leeres Sektglas vom Tisch, hopste auf der Couch auf und ab, was nur an Sonn- und Feiertagen erlaubt war, und zog hinter einem Kissen ein Spitzentaschentuch hervor. Sie warf es in die Luft und fing es wieder auf, aber Bettina nahm es ihr aus der Hand und sagte, es sei unappetitlich.
»Wieso denn? Es riecht doch so gut.«
»Es ist unappetitlich und damit basta.« Das lila Spitzentaschentuch gehörte zweifellos zu Julias modischen Requisiten. Bettina nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ es in den Papierkorb fallen.
Sie nahm mit Bibi ein fürstliches Mahl ein, badete sie, schnitt ihr die Zehennägel, las an ihrem Bett noch fünf Seiten von >Pu, der Bär< vor und gab ihr zahllose Gutenachtküsse, ehe sie sich von ihr trennte. Dann ging sie daran, in der Küche mit Putzeimer und Spülmittel Ordnung zu schaffen. Als sie sich müdegearbeitet hatte, bereitete sie sich ihr Nachtlager auf der Couch im Wohnzimmer. Im Dunkeln liegend versuchte sie eine Patentlösung für das ganze Dilemma einschließlich ihrer eigenen Unzulänglichkeiten zu finden. Wie stand sie zu Bernhard? Sie stocherte in ihren erloschenen Gefühlen herum in der Hoffnung, noch etwas Glut zu finden, die man wieder entfachen konnte. Aber viel war nicht mehr da.
Bernhard kam um zwei Uhr morgens nach Hause. Geräuschvoll. Er knipste im Wohnzimmer das Licht an und blieb vor Bettina stehen. Bettina stellte sich schlafend, aber das beeindruckte ihn wenig.
»Guten Abend«, sagte er etwas zu laut und zu fröhlich wie ein Radioansager vor einem Sportbericht.
»Guten Abend.«
Er hatte leicht gerötete Augen. Er mußte ziemlich viel getrunken haben.
»Was ist denn das nun wieder für eine Masche? Warum liegst du denn nicht im Bett?« sagte er.
»In welchem?«
»Na, in deinem.«
»Laß uns doch bitte erst morgen über alles sprechen, wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe und du nüchtern bist.«
»Ich bin nüchtern, nüchterner, als du denkst«, schrie Bernhard, schwankte und fand, mit der Hand rückwärts tastend, an der Lehne eines Sessels Halt.
»Sprich bitte leiser, du weckst sonst das Kind.«
»Das Kind? Was für ein Kind denn?«
»Was für ein Kind wird’s wohl sein? Unseres natürlich. Ich habe Bibi heimgeholt.«
»Das hättest du nicht tun sollen. Unser Engelchen soll nicht in den ganzen Schmutz mit hineingezogen werden«, sagte Bernhard weinerlich, dann sackte er im Zeitlupentempo vornüber.
Aber Bettina sprang geistesgegenwärtig von der Couch hoch und fing ihn auf. Sie schob ihn zur Couch hin, wo er sich niederplumpsen ließ. Dann drückte sie seine Schultern auf das Kopfkissen und zog ihm die Schuhe aus.
»So ist’s besser, ich mache dir jetzt eine Tasse Kaffee«, sagte sie und ging in die Küche.
»Diese Krankenschwesterallüren, dieses gütige Getue. Ich mag keinen Kaffee, ich bin nicht betrunken«, schimpfte er verdrießlich hinter ihr her. Sie hörte ihn weiter jammern, während sie den elektrischen Kocher einschaltete, den Kaffee mahlte und in den Filter gab, und als sie mit dem Tablett zu ihm an die Couch trat, war er immer noch nicht fertig mit seinen Tiraden. »Ich liebe die süße kleine Julia, jawohl, das gebe ich zu, aber deshalb braucht man mich doch nicht wie einen tollen Hund abzuschießen«, lamentierte er.
Bettina hielt ihm die Tasse an die Lippen. »Niemand schießt dich ab. Trink!«
Er nahm gehorsam einige Schluck Kaffee und schaute Bettina groß an. »Der schmeckt so bitter. Ist da auch kein Arsen drin?« Er nahm noch mal einen Schluck und hörte nicht auf,
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