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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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ihn nicht stören, und die Freizeit, wo sie ihn stören dürfte, verbringt er mit Fräulein Pfiff. Das ist sie. Außerdem sehe ich nicht ein, warum von den dicken Geldern, die Bernhard verdient, für Bibi und mich nur Pellkartoffeln herausspringen sollen und für die andere das Dolce vita. Ich habe schon daran gedacht, nach Berlin zu gehen, weil ich doch dort von früher eine Menge Leute kenne, die mir vielleicht weiterhelfen können. Würdest Du mir eventuell Deine Wohnung zur Verfügung stellen? Wenn Du in Elba baust, nützt Du sie doch wahrscheinlich gar nicht mehr aus, und ich könnte in Ruhe, fern vom Schuß, abwarten.
    Was machen wir nur mit Poldi und den verschwundenen Moneten, Mama? Wie kannst Du es nur aushalten mit so abscheulichen Kindern. Arme Mama! Wenigstens hast Du einen Lichtblick, das ist Franzi. Sei innig umarmt — Bettina. PS: Ich war bei Herrn Seggelin in Mailand und habe ihm alles erzählt. Ich glaube, er wird nichts gegen Poldi unternehmen.«
    Auf diese Weise erfuhr Anna endlich den rechtmäßigen Eigentümer des Geldes. Einen Tag später, nach einem kurzen Telefongespräch mit Seggelin, überwies sie es nach Mailand. Sie fühlte sich so erleichtert, als sei sie einen schmerzhaften Nierenstein losgeworden. Sie kaufte sich eine Flasche Spumante und war willens, einmal einen ganzen Tag nicht an ihre Kinder, sondern nur an sich selbst zu denken.
    In ihrem Wagen, der auf der Piazza parkte, war es so heiß, daß man Brötchen darin hätte backen können. Anna lechzte danach, sich ins Meer zu werfen, aber vorher stattete sie ihrem Grundstück ein Besuch ab. Sie bildete sich ein, die Eidechsen hier seien grüner und ihre Augen schimmerten goldener als anderswo. Der harzige Duft von Myrte, Rosmarin und Zistrose gehörte auf diesem kleinen Fleck Erde ihr, ihr ganz allein. Sie legte mit Steinen die Umrisse ihres Hauses aus, sah im Geiste die Mauern wachsen, das rote Dach sich darüberbreiten und hinten im kleinen Küchenhof zwischen den grünen Zweigen Orangen blühen. Über die Ränder großer Tonvasen fielen ganze Kaskaden von rosa Geranien, und in dem geheimnisvollen Brunnen auf der weinüberwachsenen Terrasse spiegelten sich bizarr gefiederte Mimosen. Sie träumte wie ein junges Mädchen.
    Der Stein, auf dem Anna in ihrem Wohnraum saß, war hart und kantig, aber sie merkte es gar nicht, denn in Gedanken lag sie wohlig ausgestreckt auf einer daunenweichen Couch. Bettina und Bernhard waren wieder vereint, Franzi hatte eine vorzügliche Doktorarbeit abgeliefert, und Poldi war Leiter einer großen Exportfirma.
    Bisher hatte sie ihren Kindern die Zügel zu locker gelassen, das war das einzige, was sie sich vorzuwerfen hatte. Aber das würde nun anders werden.
    Es mußte einfach anders werden.
    Am Abend schrieb sie Bettina, daß sie leider ihre Wohnung in Berlin für sich selbst brauche. Sie werde demnächst wieder dorthin zurückkehren und erst mit dem Baubeginn wieder nach Elba kommen. »Gib nicht so schnell auf«, schrieb sie. »Du hast Dir vorgenommen, Deine Ehe aufrechtzuerhalten. Nun mußt Du es auch durchstehen.« Sie las diesen altklugen, ledernen Satz dreimal. Ein widerlicher Satz, kaum zu glauben, daß sie ihn geschrieben hatte.
    Aber sie ließ ihn stehen, sie wollte endlich eine Mutter mit Rückgrat sein.

    Als Poldi in New York an Land ging, empfing ihn ein unfreundlicher Novemberwind. Poldi trug seinen Bart wieder, aber nicht als Dokumentation seines weltverachtenden Intellektes, sondern weil es in diesen drei Wochen einfach bequemer gewesen war, sich nicht zu rasieren. Er hatte sich seine Überfahrt auf einem dänischen Frachter erarbeitet. Als echter Matrose hatte er einen Seesack bei sich und in der Gesäßtasche einen Zettel mit Geheimtips seiner Kumpels, Adressen von billigen Unterkünften, billigen Gasthäusern. Er schlief in einem der empfohlenen Hotels. Es roch verdächtig nach Insektenvertilgungsmittel, und die abgewetzten Teppichfetzen, mit denen der Boden bedeckt war, hatten von der Erfindung des Staubsaugers noch nichts gespürt. Der Nachttisch war mit einer dicken Staubschicht bedeckt, und im kümmerlichen Licht einer 25-Watt-Birne las Poldi die Inschrift, die sein Vorgänger in den Staub geschrieben hatte: >Here are bugs<. Wanzen hin, Wanzen her: Poldi war hundemüde, zu müde, das Quartier noch einmal zu wechseln, zu müde, um den Kampf mit dem Ungeziefer aufzunehmen. Er stopfte sein Unterzeug und seine Kleidung in den Seesack und band diesen mit einer Schnur an der von der

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