Ein Herz bricht selten allein
machte bei den Ohren nicht halt. Poldi spürte, wie sie über seine Stirn kroch. Wahrscheinlich glühten die verdammten Pünktchen.
Frank musterte ihn mit seinen gescheiten Augen, schmunzelnd. »Du gefällst mir, wenn du es auch nicht gern hörst, in der Hauptsache, weil du Annas Sohn bist. Und weil ich deine Mutter geliebt habe, hörst du, geliebt. Und noch immer liebe. Ich nehme an, du sitzt hier vor mir nicht etwa, weil du um die Hand meiner Tochter anhalten willst. Denn du hast nichts von den Dingen aufzuweisen, die sich ein Vater von seinem Schwiegersohn erträumt. Außerdem fürchte ich, daß meine Ansicht für Nancy keineswegs ausschlaggebend wäre. Nancy ist ein selbständiges Wesen. Sie weiß, was sie will. Manchmal will sie das Verkehrte. Damit will ich aber nicht sagen, daß du der verkehrte Mann für sie wärst. Vielleicht bist du der richtige. Aber mit welchen Vorstellungen bist du eigentlich hierhergekommen?«
»Mit sehr konkreten Vorstellungen, Frank.« Wie gut, daß er ihn von Anfang an hatte Frank nennen dürfen, nicht Onkel Frank oder womöglich gar Onkel Franzi, das erleichterte die Situation. »Du hast mir mal gesagt, wenn ich zu dir käme, würdest du mir einen Job verschaffen. Hast du das nur in den Wind gesprochen?«
»Ich spreche nichts in den Wind. Aber Vizedirektor von General Electric wirst du nicht auf Anhieb, schlag dir das aus dem Kopf. Du sprichst ein leidliches Amerikanisch. Aber um in meinem Verlag zu arbeiten, muß es viel besser sein. Du wirst also erst mal die Sprache lernen, die Sprache des Mannes auf der Straße. Dafür werde ich dich als Packer und Hilfe für den Ausfahrer bei einem Versandgeschäft unterbringen. Und in deiner Freizeit wirst du dich auf die Universität begeben und ordentlich Englisch lernen.«
Poldi stockte der Atem vor Glück, aber er brachte es nicht fertig, überschwenglich zu danken. »Das ist ein guter Vorschlag«, sagte er nur.
»Fein. Und jetzt muß ich arbeiten.« Frank erkundigte sich über die Sprechanlage bei seiner Sekretärin, wie seine Termine aussahen. »Komm um vier Uhr wieder«, sagte er zu Poldi. »Zimmer sind hier zu teuer. Bis du was Richtiges findest, wohnst du bei uns.«
»Danke, Frank, das ist ganz prima von dir.« Verwirrt stolperte Poldi aus Franks Büro.
»Poldi!« Frank deutete auf den Boden, und da lag dieser graue Hut. Poldi setzte ihn auf und grinste grimmig. Ob Nancy sich eigentlich klar darüber war, was für Opfer er für sie brachte? »Übrigens: Nancy weiß nicht, daß ich da bin. Ich will sie überraschen.«
»Da wirst du ein paar Tage warten müssen. Ich glaube, daß sie gar nicht in New York ist.« Frank drückte wieder auf den Knopf der Sprechanlage. »Miß Gumbray, bitte stellen Sie doch mal eben fest, ob meine Tochter in New York ist.«
Poldi stand an der Tür, und der dämliche Hut auf seinem Kopf wurde immer schwerer. Er nahm ihn wieder ab und wünschte sich tausend Meilen weit weg von hier, im Schutze seines Bartes und seiner ausgebeulten Kordhosen, ein Weltverächter, dem nichts imponierte. Das schnarrende Geräusch von Miß Gumbrays Stimme drang aus dem Mikrophon.
»Sie ist nach Frisco geflogen, Poldi. Ich glaube, da ist eine Gemäldeausstellung. Vielleicht verwechsle ich es auch, vielleicht handelt es sich um einen Doppelmord.«
»Ihr pflegt keinen sehr engen Kontakt, was?« fragte Poldi.
»O doch, wir sehen uns jeden Freitag. Da kommt Nancy zu uns, ich knöpfe mir ihre Kolumnen vor und sage ihr, was mir an ihnen gefällt und was nicht, sie knöpft mich vor, zerlegt mich in meine Bestandteile und nennt mich einen verkappten Reaktionär, und Susan backt dazu einen unübertrefflichen Applepie. Wenn du willst, kannst du an diesen gefühlvollen Familientagen teilnehmen. Magst du Applepie?«
»Ja.«
»Magst du Susan?« In Franks Augen irrlichterte ein leiser Spott.
»Oh, ich glaube schon«, versicherte Poldi verwirrt.
Anna hatte lange geschwankt, ob sie Bettina oder Franzi besuchen sollte, ehe sie sich in Berlin einwinterte. Franzi war nach London übergesiedelt. Sie wollte noch einige Monate in England bleiben, weil — wie sie schrieb — sie jetzt eben erst zum Kern der englischen Sprache vorstoße. Sie hatte ein Zimmer bekommen bei einer mit Evelyne befreundeten Familie. »Ich höre Vorlesungen auf der Uni, gehe viel ins Theater und zu meiner Bildung und Deiner Beruhigung auch in Museen«, schrieb sie. »Ich bin sehr glücklich, daß Du mir das erlaubt hast, ich gehe schon nicht unter, hab’ keine
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