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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Sorge. Schließlich habe ich mir ein halbes verbummeltes Jahr verdient, denn ich habe mein Abi als eine der Jüngsten gemacht. Wenn ich erst in Tübingen oder Heidelberg hocke und für Scheine und Klausuren büffle, ist die schöne Jugendzeit sowieso vorbei.«
    Mit Zwanzig vorbei! Anna las den Brief ein zweitesmal. Er war so erfrischend unkompliziert. Franzi hatte ein Foto mitgeschickt. Sie trug jetzt das Haar ganz kurz geschnitten. Sie hätte als Junge gehen können, ein hübsches, modernes, noch sehr kindlich wirkendes Geschöpf. Die Augen, munter und klar, lachende Augen.

    Der Nebel hatte sich früher als sonst über London gelegt. In Franzis Zimmer brannte das Licht den ganzen Tag. Das Zimmer war groß und ungemütlich kalt. Die Wohnung der Jordans hatte keine Zentralheizung, und Franzi verstand recht wenig vom Umgang mit Kaminen. Auch heute hatte sie es nur zu einem kleinen, in bösen grünen und blauen Farben züngelnden Flämmchen gebracht. Vergeblich wartete sie auf das Knistern der Buchenklötze. Sie kniete vor dem Flämmchen und bemühte sich um sein Fortleben, fütterte es mit riesigen Mengen von Zeitungspapier und beförderte mit dem Blasebalg ganze Geschwader verkohlter Fetzen ins Zimmer. Aber das half alles nichts. Das Flämmchen verlosch schließlich ganz, und Franzi gab den Versuch, ihr Zimmer warmzukriegen, endgültig auf. Sie zog einen dicken Wollpullover an und kauerte sich mit hochgezogenen Beinen in den Polstersessel mit dem türkisch gemusterten Plüschbezug. Das Zimmer war noch mit manchen anderen türkischen Gegenständen ausgestattet, mit Wandteppichen in muffigen Farben, mit einem Rauchtisch, mit zwei zusammengesessenen Lederpuffs und einer ganzen Anzahl von Wasserpfeifen. Irgendein jordanischer Ahne mußte wohl einmal gegen die Türken gekämpft und diese Dinge erobert haben. Vielleicht auch hatte ein türkischer Freund sie ihm aufgedrängt. Jedenfalls war daraus das sogenannte türkische Zimmer geworden, das man Franzi vermietet hatte. Franzi beschloß, nie in ihrem Leben in die Türkei zu fahren.
    Jordans waren übrigens keineswegs Freunde von Evelyne, sondern Franzi hatte das Zimmer bei Jordans durch die Zeitung gefunden. Aber >Freunde von Evelyne< klang natürlich besser in Mamas Ohren.
    Verzeih mir, liebe, allerliebste Mama, aber ich muß dich anlügen.
    Franzi war nicht nach London gegangen, um das berühmte Britische Museum zu durchforschen, sondern um bei Lester zu sein. Konnte man das einer Mutter schreiben? Das konnte man so unverblümt nicht einmal Evelyne eingestehen.

    Als Lesters Urlaub sich dem Ende zuneigte, hatte Franzi ganz sacht bei Evelyne angetippt, wie diese über eine Übersiedlung nach London denke. Solche Gespräche fanden im Bett statt, morgens, noch befangen von Träumen und schwerem Schlaf. Mrs. Ronsfield klappert schon mit dem Frühstücksgeschirr, viel zu laut und intensiv, auch singt sie dabei, macht eifrig Türen auf und zu und spricht mit den Vögeln, die in ihrem Garten herumfliegen. »Nicht wahr, wir Frühaufsteher, wir wissen, daß die Morgensonne die schönste ist«, ruft sie den Spatzen nach, die bei ihrem Erscheinen entsetzt vom wilden Wein der Pergola aufflattern.
    Evelyne holte einen langen Seufzer ganz tief von unten her und sagte: »Wenn sie nur irgend etwas anderes treiben würde um diese Stunde. Mein armer Vater! Der mag auch keinen Frohsinn vor neun Uhr.«
    Franzi dehnte sich. »Und wer macht das Frühstück, bitte? Du vielleicht?«
    »Ich nicht. Aber du könntest das ja vielleicht übernehmen. Für deinen geliebten Lester wirst du doch mit Vergnügen Tee aufgießen und Eier kochen. Spaß beiseite, du bist ganz hin von ihm, was? Eigentlich ist doch nichts dran an ihm.«
    »Ich meine, ich würde eben London gern sehen. Ich habe noch nicht die geringste Lust heimzufahren.«
    »Na ja, dann geh doch nach London. Würde deine Mama es erlauben?«
    »Wenn ich es ein bißchen hinfrisiere, dann schon. Sie ist jetzt ganz mit Bettina beschäftigt. Sie ist sicher froh, wenn sie mich noch eine Weile los ist. Außerdem habe ich Lester wirklich sehr gern.«
    »So?«
    »Natürlich. Was ist denn daran Schlimmes?«
    »Schlimm ist es nicht. Jeder tut’s, der eine früher, der andere später. Ich bitte dich nur um eins: Hab’ meinen Bruder nicht >sehr gern    Da fegte Mrs. Ronsfield ins Zimmer, rotwangig und atemlos wie eine Artistin nach einem

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