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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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geglückten Trapezakt. »Meine Passionsblume ist aufgegangen!« verkündete sie. Sie stand zwischen den beiden Betten und klatschte in die Hände. »Und ihr, meine beiden kleinen, faulen Mädchen, was ist mit euch?«
    Franzi sprang gehorsam aus dem Bett. Evelyne setzte nur anstandshalber einen Fuß auf die Erde. »Mütterchen, die Frohnatur«, stöhnte sie. Das war einer ihrer wenigen deutschen Brocken. »Ich mag sie, ich liebe sie. Und sicher ist sie ganz passabel. Aber sie dürfte nicht auf Erwachsene losgelassen werden. Sie ist die ewige Kindergärtnerin, die sie früher war. Man hört sie immer in die Hände klatschen und sagen: >So, nun nehmen wir einander bei der Hand und machen einen lustigen Kreis.<«
    Franzi in ihrer verstaubten Türkenpracht hätte nichts dagegen gehabt, wenn irgend jemand sie jetzt aufgemuntert hätte, und wäre es auch die händeklatschende Mrs. Ronsfield gewesen. Sie wartete auf Lester. Gestern hatte er kurz angerufen, daß er wegen einer dringenden Besprechung keine Zeit hätte. Aber heute hatte er um fünf Uhr bei ihr sein wollen. Jetzt war es sieben Uhr. Sie lauschte auf den Glockenschlag von Big Ben und kuschelte sich tiefer in ihren türkischen Sessel, dessen viele kahle, mottenzerfressene Stellen in dem Muster untergingen. Sie war zu unruhig, um sich sinnvoll beschäftigen zu können.
    Endlich, kurz vor acht Uhr, erschien Lester. Er klingelte zweimal. Franzi öffnete ihm die Tür. Für Jordans wurde nur einmal geklingelt.
    »Ich bin spät, verzeih«, sagte er und marschierte vor ihr her durch den muffigen Gang, marschierte vor ihr ins Zimmer, als sei er sehr in Eile.
    Franzi legte die Arme um seinen Hals und küßte ihn. »Hauptsache, daß du überhaupt gekommen bist. Wie geht es dir?«
    Er ließ sich in den Sessel sinken, in dem vorher Franzi gesessen hatte. »Wie geht’s mir? Ich weiß nicht, ob ich >schlecht< sagen soll oder >gut<.«
    »Wieso?«
    »Man will mich wegschicken. Nach Sydney. Man zieht dort eine Filiale auf, und ich soll mit dem Aufbaustab dorthin.«
    »Man will, aber du gehst nicht?«
    Franzi unternahm einen erneuten Versuch, das Feuer in Gang zu bringen.
    Lester sah ihr eine Weile zu, dann entschloß er sich aufzustehen. Er kniete neben ihr nieder und nahm ihr die Streichhölzer und den Bausch Papier aus der Hand. »In Deutschland hat man wohl noch nicht gelernt, wie man Feuer macht. Ihr seid doch sonst in allen Dingen solche Besserwisser.«
    Lester nahm fast jede Gelegenheit wahr, auf Deutschland zu hacken. In Jersey hatte er das nicht getan. Da war er viel zartfühlender gewesen und hatte ihr nur nette Dinge gesagt.
    »Was hast du eigentlich gegen Deutschland?« fragte sie.
    »Oho, der Nationalstolz erwacht.« Er lachte.
    Lachte er sie aus, oder lachte er sie an? Franzi kannte sich nicht mehr aus in Lester. Sie wurde immer unsicherer in seiner Gegenwart.
    Er hantierte geschickt mit dem Holzspan und der Zeitung, und binnen kurzem prasselte ein behagliches Feuer im Kamin. Lester stand auf und staubte sich die Hosenbeine ab. »Eigentlich verstehe ich dich nicht, Franzi. Du schimpfst doch gelegentlich ganz schön auf Deutschland.«
    »Das ist etwas anderes. Ich kann das tun, aber bei anderen mag ich es nicht, da geht es mir wider den Strich.«
    Sie trug einen neuen Pulli, ein giftiges Grün mit einem blauen Einsteckschal, und sie wartete darauf, daß Lester ihn beachten würde. Aber er merkte nichts. Er hatte seinen alten Platz im einzigen bequemen Sessel wieder eingenommen und angelte sich eine von den zerknüllt herumliegenden Zeitungen vor dem Kamin, glättete sie auf seinen Knien und begann darin zu lesen.
    Plötzlich war Franzi dem Weinen nahe. Sie fror trotz des lodernden Kaminfeuers, und sie fühlte sich einsam, obwohl Lester dasaß. Er blickte endlich auf und warf die Zeitung mit einem entschuldigenden Lächeln beiseite. »Ist irgendwas mit dir nicht in’ Ordnung, Darling? Du siehst aus, als könntest du eine kleine Spritze brauchen. Ist von unserem Portwein noch was da?«
    Franzi nickte. Sie brachte die Gläser und die Flasche. Nach dem ersten Schluck nahm sie sich Mut und wiederholte ihre Frage, die unbeantwortet geblieben war. »Gehst du nach Sydney?«
    Lesters Stirn zog sich zusammen. »Also jetzt komm mal her, mein Hündchen.« Franzi ließ sich zu ihm heranziehen und nahm so steif auf seinen Knien Platz, als sei dies nicht Lester, sondern ein Stuhl im Salon einer Respektsperson. »Was ist los mit dir? Spuck’s ‘raus. Irgendwas ist doch los mit

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