Ein Herz bricht selten allein
mich, ich glaube, das ist gut für uns alle.« Wahrscheinlich schloß er das violette Fräulein auch mit ein.
»Ja, ich glaube auch.«
Anna setzte sich, Bernhard setzte sich wieder, und auch Bettina, die das dritte Gedeck schon aufgelegt hatte, nahm Platz. Da wäre sie also, die traute Familie. Bettina füllte Annas Tasse mit Tee, Bernhard zerstückelte mit Fingern, bei denen die Knöchel weiß hervortraten, ein unschuldiges Stück Semmel, und Anna machte ein paar tiefe Zwerchfellatemzüge.
Einen Augenblick überlegte Anna sich ein paar einleitende Worte, aber dann sprang sie mitten hinein ins Zentrum allen Ungemachs. »Du willst dich von Bettina scheiden lassen?«
»Ja. Das vernünftigste wäre es. Aber Bettina legt sich ja quer, obwohl sie weiß...« Er verbesserte sich: »Obwohl sie ja nun wohl gesehen hat, daß unsere Ehe zerrüttet ist.«
»Zerrüttet? Wie denn? Warum denn? Du sprichst nicht mit mir, du benimmst dich wie ein Stiefelknecht«, fuhr Bettina dazwischen. Das verdächtige Rot auf ihren Wangen vertiefte sich. »Kein Kapo würde...«
Bettina war dem Weinen nahe. Das Weißbrot lag unberührt auf ihrem Teller. Sie hatte nur ein paar hastige Schlucke Tee getrunken und fingerte schon wieder eine Zigarette aus der Packung.
Diese Raucherei! Und bei ihrem Zustand. In Annas Besorgnis mischte sich ein heiliger Zorn gegen die unvernünftige Tochter.
Auch Bernhard, sonst ein starker Esser, war der Appetit vergangen. Er steckte sich ebenfalls eine Zigarette an, obwohl Anna mit dem Frühstück noch nicht fertig war. Anna stellte fest, daß jeder seine eigenen Zigaretten besaß. Strikte Gütertrennung also.
»Diese Situation ist unmöglich. Peinlich für alle Teile. Und ich bin nicht gewillt, sie fortzusetzen. Ich weiß, daß dem Gesetz nach die Hauptschuld bei mir liegt. Mein erstes Vergehen war, daß ich Bettina heiratete, ohne sie gut genug zu kennen. Mein zweites Verbrechen war, daß ich eine andere Frau traf, die für mich alles mitbringt, was ich von einer Frau erwarte.« Er unterbrach seine Rede, um seinen Tee auszutrinken.
Anna fiel heute zum erstenmal auf, daß er schlürfte. Und wo er nur gelernt hatte, so zackig zu reden?
Bernhard setzte seine Rede fort: »Ich brauche ein harmonisches Arbeitsklima. Ich muß entweder die Wohnung für mich allein haben oder ausziehen.«
»Ich würde sagen, du ziehst aus«, erklärte Anna sachlich.
»Das würde natürlich bedeuten, daß Bettina untervermieten muß, denn ich kann schließlich nicht zwei Frauen...«
»Zwei Frauen und ein Kind«, korrigierte Anna.
»Gut, Kind, natürlich. Ich kann... Ich bin auch nur ein Mensch, ich habe eben aufs verkehrte Pferd gesetzt. Ich meine, ich habe die verkehrte Frau geheiratet. Verdammt noch mal, das kommt eben vor. Und dann kam eines Tages die richtige. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich vielleicht nie etwas vermißt in meiner Ehe.«
»Das ist aber wirklich ein ganz neuer Gesichtspunkt«, warf Bettina dazwischen.
Anna legte ihr die Hand auf den Arm. »Laß ihn sprechen.«
»Eben, eben, man kann sich in diesem Haus ja nie aussprechen«, maulte Bernhard.
»Du sprichst seit Monaten nicht mehr mit mir.«
Jetzt wurde Anna ärgerlich. »Ruhe! Gebt mir auch endlich eine Zigarette. Sprich weiter, Bernhard.«
»Eben. Es wäre nie zu irgendeinem Konflikt gekommen, wenn nicht Julia...«
»Lisa, meinst du, Lisa«, warf Bettina dazwischen. »Lisa war die erste. Da war Julias Mondgesicht noch gar nicht am Horizont aufgetaucht.«
»Bettina!«
»Jawohl! Er verdreht die Tatsachen. Er will mich einfach loswerden. Er hat mich satt.«
»Ich habe nicht dich, ich habe es satt«, polterte Bernhard unbeherrscht und schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Tassen klirrten.
Bettina warf ihrer Mutter einen bedeutsamen Blick zu. Und da gönnt man mir nicht, daß ich mir im Kino oder sonstwo ein bißchen Vergnügen zusammenscharre. Schau ihn dir an, meinen Gemahl.
Plötzlich erklang die Piepsstimme von Bernhardine. »Jetzt gehen wir zwei in den Zoo, Anni, gelt?« Es klang, als ob sie sagen wollte: komm, laß uns von hier weggehen. Die Augen wanderten von einem zum anderen dieser großen, rätselhaften Erwachsenen, die da so tobten. Niemand konnte sagen, wie lange Bibi in ihrem rosa Flanellnachthemd schon an der Tür stand.
»Ja, mein Schatz, heute ist Zoo-Tag.«
»Seit wann wacht das Kind denn so früh auf?« fragte Bernhard mit einem tadelnden Blick auf Bettina, als gehöre auch diese Tatsache zu ihrem
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