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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Schwiegersöhnen, Krankheiten und Pannen aller Art bestockte Welt. Doch was half’s. Eigentlich sollte sie sich nicht beklagen. Sie wußte Bettina in Davos in allerbesten Händen. Sie sah auch Poldis Weg in die Zukunft vorgezeichnet, und Franzi, das Milchkälbchen, war sowieso ein Sonntagskind. Nur nicht bange machen lassen. Man durfte nicht unbescheiden sein.
    In Berlin fand Anna einen Berg Post vor. Die Abrechnung von ihrem Verlag war besser, als sie erwartet hatte. Siehst du, Anna, es geht also weiter.
    Allerdings ging es mit erheblichen Umstellungen weiter. Ein Kind in der kleinen Wohnung... Je nun, Anna hatte die Erfindungsgabe von Kindern und ihren unbeirrbaren Eigensinn nicht mehr so in Erinnerung, und Bibi war ein außergewöhnlich lebhaftes Kind. Annas Schreibmaschine, ihre Arbeit und ihre Appelle zur Erlangung einiger ungestörter Stunden konnten Bibi überhaupt nicht imponieren. Sie schaffte es mit Charme, und das machte die erzieherische Strenge schwer. Die Kammer, mit bunten Regalen, Stofftieren und lustigen Bildern in Windeseile als Kinder- und Spielzimmer ausgestattet, hatte Bibi mit Kennerblick sofort als Abstellgleis erkannt. Sie wollte bei Anna sein, sie wollte plappern, tausend Fragen stellen, um tausendundeine Antwort einzuhamstern, sie wollte aus dem Nähkorb nichts anderes als die Rasierklingen und die Nadeln haben, mit dem Buntstift wollte sie nicht auf dem Papier, sondern auf dem Fenstersims malen, und anstatt mit ihren Bauklötzchen Türme und Häuser zu bauen, zog sie es vor, diese Gebäude aus Annas Büchern zu errichten. Der Malkasten mit seinen Wasserfarben war fad, hingegen standen Nagellack und Lippenstift hoch im Kurs.
    Anna begann die Auslagen der Apotheken zu studieren, was es alles an nervenstärkenden Mitteln gab. Schließlich besorgte sie sich einige Präparate und schluckte sie zu ihrem und ihrer kleinen Enkelin Wohl. Sie sah ihre Tagebücher mit den Aufzeichnungen über ihre Kinder durch, um sich klarzumachen, daß Bibi keine außergewöhnliche Nervensäge, sondern ein normales Kind mit einem gesunden Spieltrieb sei. Er entfaltete sich eben in den seltensten Fällen in dem dazu ausersehenen Kinderzimmer. Der Spieltrieb der Kinder findet zielsicher die besten Plätze: unterm Tisch, auf dem Tisch, auf der Couch, unter der Couch, zwischen den Füßen der Großen und auf deren Trommelfell. Anna kam sich wie eine ganz brutale Kerkermeisterin vor, wenn sie Bibi, die ein Gesicht zum Gotterbarmen machte, in ihr Spielzimmer schickte. Manchmal sperrte sie sie dort ein, stand das Jammergeschrei aber höchstens zehn Minuten durch.
    Nach einer Woche hatte Bibi sich so gut eingelebt, daß sie die Standplätze der >Nichts für kleine Kinder< wußte. Sie bereitete sich aus Zucker, Kondensmilch und einer halben Dose Nescafé einen köstlichen Brei. Anna kam dazu, als Bibi eben die Tasse mit dem Finger auswischte. Sie fuhr Bibi eilends in eine Klinik, wo ihr der Magen ausgepumpt wurde. Dann kehrte sie mit ihr nach Hause, legte sie ins Bett und setzte sich zu ihr. Wieder war ein Arbeitstag zwischen den Fingern zerronnen. Aber gearbeitet mußte werden, also wurden aus den Arbeitstagen Arbeitsnächte.
    Der Strafzettel wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit während der Fahrt zur Klinik kam vier Tage später.
    Anna schrieb viele Briefe an Bettina, damit das arme Kind von Bibi hörte. »Sie ist zwar ein kleiner Quirl, aber sie stört mich gar nicht. Wir leben hier sehr vergnügt miteinander. Mach Dir ja keine Sorgen, denk Du nur an Dich und Deine Gesundheit.«
    Bibi durfte mit Bleistift unter die Briefe ihren Krakel machen. Er sah aus wie ein Tausendfüßler und bedeutete >stets deine gehorsame Tochter Bernhardiner

    Franzi hatte sich damit abgefunden, daß ihre Liebe zu Lester immer mehr zu flüchtigem Zeitvertreib absank. Sie hatte verschiedene seiner Freunde und Freundinnen kennengelernt und war in dieser vergnügten, seichten Clique untergetaucht. Rasch gewöhnte sie sich ihre saloppe Redeweise an und ahmte die Mädchen, die als besonders smart galten, heimlich nach.
    Ihre Augen wanderten bei den Parties immer wieder zu Lester:
    Mach ich’s recht so? Gefalle ich dir so?
    Annas vertrauensselige Briefe bedrückten sie. Tagelang brütete sie über einer Antwort, und wenn dann endlich ein Schrieb zustande kam, in dem überwiegend von Londons Architektur und seinen alten Bookshops die Rede war, und sie ihn in den Briefkasten steckte, war ihr jedesmal ganz elend zumute. Wie niederträchtig war

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