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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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auf.
    Anna hatte allmählich zu ihrem alten Leben in Berlin zurückgefunden. Franzi hatte Weihnachten bei ihr verbracht und war dann auf weitere acht Wochen nach London zurückgekehrt. Sie sagte, sie sei sehr glücklich in London, und Anna war froh, daß wenigstens eines ihrer Kinder kein Kopfzerbrechen bereitete. Bettina lebte nach wie vor im kalten Krieg mit ihrem Mann. Anna führte endlose Ferngespräche mit ihr. Ihre Telefonrechnung kletterte in erschreckende Höhen.
    Von Poldi waren in vier Monaten zwei Briefe aus Amerika gekommen. Der letzte dieser beiden Briefe hatte nicht sehr ermutigend geklungen. »Das sture, borniert auf Erfolg ausgerichtete Amerika ist auf die Dauer nichts für mich. Ich werde wahrscheinlich sehr bald in Europa wieder mein freiheitliches Leben leben«, schrieb er.
    Das war kurz nachdem Armand aufgetaucht war.
    Freiheitliches Leben! Was für ein hochtrabender Ausdruck für Schlendrian. Anna hatte so viel von Poldis Amerikaaufenthalt erwartet. Sie hatte gehofft, Frank würde ihn beeinflussen. Und nun schon wieder dieses unklare Gefasel. Drei Briefe von ihr an Poldi blieben unbeantwortet. Sie war verzweifelt.
    Aber dann, an einem sonnigen, klirrend kalten Februartag, kam plötzlich dieses Telegramm von Frank. Sie las es zweimal, sie las es dreimal, und schließlich heftete sie es mit einem Reißnagel an die Wand gegenüber ihrem Arbeitstisch, und immer wieder, während sie Zeile um Zeile in die Schreibmaschine hämmerte, flog ihr Blick auf den kleinen, mattgelben Zettel. »Poldi und Nancy haben geschafft was wir nicht schafften stop sie kriegen sich stop Hochzeitstermin mit Bimbam und Ruehrungstraenen noch unbekannt stop Poldi ab Mai in meinem Verlag herzlichst Franzi.«
    Anna wartete bis zum verbilligten Tarif am Abend, dann rief sie Bettina an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen. Bettina war gerade beim Weggehen. Eigentlich war sie immer beim Weggehen oder war schon weg, wenn Anna anrief. Kaum war Bibi eingeschlafen, lief sie aus dem Haus.
    Anna gefiel das nicht, und sie sagte es. Aber sie kam damit schlecht an bei ihrer Tochter. »Soll ich zu Hause sitzen und Trübsal blasen? Bernhard ist nie da. Nie, nicht einen einzigen Abend. Mit Müh und Not hat er sich am Weihnachtsabend von seinen anderweitigen Verpflichtungen frei gemacht und hat den Hausvater gemimt. Für mich einen Scheck über hundert Mark, für Bibi einen Kasper.«
    »Trotzdem, wo, um Gottes willen, läufst du denn hin Abend für Abend?«
    »>Läufst du denn hin<, wie das klingt«, empörte sich Bettina. »Ich gehe ins Kino, ins Theater, mal in ein Konzert, ich bin in einem Abendkurs für Italienisch, ich gehe essen. Meine Bekannten sind alle nett zu mir, so als sei ich eine Witwe, und sie müßten mich aufheitern. Neulich war ich mit Lisa in der Oper, und drei Reihen vor uns saß er mit seiner auserkorenen Maus. Es war zu komisch.«
    »Ich kann mir komischere Dinge vorstellen.« Vorsicht, Anna, die Studienrätin bricht wieder durch. »Ich finde dein Bummelleben nicht richtig, Bettina.«
    »Wenn ich so was schon höre«, stöhnte Bettina. »Ich bin den ganzen Tag für Bibi da, ich schrubbe und putze und mache alles selber. Ich ändere mir sogar meine Kleider selber, weil Bernhard mir viel zu wenig Geld gibt. Ins Kino und ins Theater lasse ich mich fast immer einladen. In allen Ehren, leider. Nicht den kleinsten Flirt leiste ich mir. Was willst du eigentlich? Wie soll ich deiner Ansicht nach mein Leben gestalten? Ich kann nicht malen und nicht schreiben oder sonst einen Beruf ausüben, bei dem man zu Hause sitzen kann. Ich habe doch das Kind, und ich habe es liebend gern, aber irgendwann muß ich mal Luft schnappen und ein bißchen am Leben herumschnuppern. Ich bin schließlich erst fünfundzwanzig, bedenke das bitte.
    Anna bedachte es: Bettina hatte eine schlechte Strähne am Wickel. Sie tat ihr leid, und im Augenblick wußte sie wirklich nicht, was sie ihr raten sollte. Sie empfand nur, daß es so nicht richtig war, nicht einmal als Zwischenlösung war es richtig. Bettinas Stimme klang merkwürdig heiser. Kettenrauchen, ja, sicher. Trank sie vielleicht auch? Scharfe Sachen natürlich. Und hatte sie da nicht einmal eine Geschichte erzählt von einer Clique, die es mit Marihuana oder LSD — oder wie das Zeug jetzt hieß — hielt? Ihr mütterlicher Instinkt gab Alarm. Sie spürte plötzlich: Ich muß hin zu ihr und nach dem Rechten sehen. Eingebungen überfallen Mütter wie Heuschnupfen oder Hexenschuß, von einem Augenblick zum

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