Ein Herz bricht selten allein
»Du bist so bissig
in letzter Zeit, du hast doch hoffentlich nichts auf der Galle?« Dann hüllte er
sich in verstocktes Schweigen oder bemerkte hämisch: »Es kann eben nicht jeder
ein original french charming boy sein.«
Poldi wohnte nicht mehr bei
Frank. Er hatte beim Erhalt seiner ersten Lohntüte ein eigenes Zimmer bezogen.
In der Bronx. Mies genug, aber wenigstens war er hier sein eigener Herr. Die
Freitagstreffen machte er jedoch mit, und auch Nancy fehlte nie. Sie hing sehr
an ihrer Familie, wenn sie es auch glanzvoll überspielte. Frank war für sie der
ideale Mann, und auch für die mollige, immer gutgelaunte Susan mit ihrem
hervorragenden Essen und ihrem Aufgebot kindlicher Tischdekorationen wäre Nancy
durchs Feuer gegangen.
Nach dem Essen zogen Frank und
Poldi sich meistens in Franks Zimmer zurück, weil dies die Stunde war, wo Nancy
von ihrem geistigen Kothurn herunterstieg und mit ihrer Mutter tratschte.
An einem solchen Abend im
frühen Februar eröffnete Frank Poldi, daß er ihn ab Mai in seinem Verlag zu
beschäftigen gedächte. »Falls du Lust hast«, fügte er hinzu. »Oder hast du
deine Pläne geändert?«
»Lust hätte ich schon, aber...«
Poldi stockte und suchte Zuflucht bei seinem Glas Wein.
Frank ließ ihm Zeit und tat so,
als sei er intensiv mit dem Abschneiden seiner Zigarrenspitze beschäftigt.
»Weißt du, Frank, die Sache ist
die: Ich möchte nicht, daß du mich unter falschen Voraussetzungen protegierst.
Aus der Sache mit Nancy und mir wird nämlich nichts.«
»Aus welcher Sache? Ihr jungen
Leute gefallt euch immer in so nebulösem Gerede. Wenn ich es für dich
formulieren darf, so hast du wohl den Plan aufgegeben, Nancy zu heiraten, ja?«
»Ja, genau das wollte ich
sagen.«
Poldi holte tief Atem. »Frank,
ich kann doch zu dir wie zu einem Freund sprechen. Nancy rückt ab von mir. Ich
war wohl nur so eine Art Aushilfe, bis der Eigentliche wieder da war.«
Da der Anfang gemacht war,
redete er nun frei von der Leber weg.
»Aha, dieser Armand«, meinte
Frank nachdenklich. »Ich kenne den Burschen. Ich habe ihn ein paarmal erlebt,
und ich muß sagen, ich mag ihn. Und ich weiß auch, daß Nancy eine Schwäche für
ihn hat.« Er marschierte mit seiner Zigarre im Zimmer auf und ab und schnitt
ein ärgerliches Gesicht. »Du gibst also auf, wenn ich dich recht verstehe?«
»Ja.«
»In der wievielten Runde?«
»Es handelt sich nicht um
Runden, es ist...«
»In der wievielten Runde?«
wiederholte Frank schroff. Er blieb vor Poldi stehen und richtete die Zigarre
auf ihn, als wolle er ihn damit totschießen. »Hast du überhaupt gekämpft? Nein,
du hast nicht gekämpft! Du sitzt untätig da und schwafelst in deinem
verschwommenen Realismus. Du fühlst dich übers Ohr gehauen, und was tust du,
nichts.«
Er paffte rasch ein paar Züge
aus seiner Zigarre.
»Frank, hör zu...«
»Ich denke gar nicht daran,
zuzuhören«, schnitt ihm Frank das Wort ab. »Unser Wein ist aus. Geh zu Susan
und laß dir noch eine Flasche geben. Und was die Arbeit in meinem Verlag
betrifft, so nehme ich dich nicht Nancys wegen, sondern weil du mir gefällst
und weil etwas aus dir zu machen ist. Auch weil du Annas Sohn bist«, fügte er
mit einer Stimme hinzu, die lange nicht mehr so rauh war.
Als Poldi mit dem Wein
wiederkam, knüpfte Frank das Gespräch da an, wo er aufgehört hatte. »Glaubst
du, ich hätte Anna aufgegeben, nur weil dieser lächerliche Ozean zwischen uns
war? Es hat schon eines ganzen Weltkrieges bedurft, um mich von ihr trennen zu
lassen.«
Nancy, die wegen der leidigen
Parkplatzfrage innerhalb New Yorks fast ausschließlich Taxis benutzte, war
heute mit ihrem eigenen Wagen gekommen. »Er schaut mich immer so traurig an,
ich mußte ihn heute mal aus seinem Stall nehmen«, sagte sie.
»Wo fährst du hin?« fragte
Poldi, als er neben ihr im Auto saß.
»Ich fahre dich nach Hause,
soll ich nicht?«
»Nein. Ich möchte mit dir noch
gern einiges besprechen«, sagte er, und es klang dienstlich, so wie man sagt:
»Fräulein Schulz, bitte zum Diktat.« Frank hatte ihn bei der zweiten Flasche
Wein so abgekanzelt, daß er sich nun in der richtigen Kampfstimmung befand.
Nancy schlug ohne Widerrede die
Richtung zu ihrer Wohnung ein. Sie fing an, über ihre letzte Artikelserie zu
sprechen, die ihr viel Erfolg eingebracht hatte. Die Flut der Leserzuschriften,
darunter auch böse, bewiesen, daß sie mit ihrem Thema ins Schwarze getroffen
hatte.
Sie fanden vor Nancys Haus heute
sogar einen
Weitere Kostenlose Bücher