Ein Herzschlag bis zum Tod
hatte auf Sie geschossen. Ihnen den Arm gebrochen. Hätten Sie sich von ihr ertränken lassen sollen?«
»Ich weiß nicht.« Heiße Tränen liefen über mein Gesicht. Er griff nach meiner linken Hand und hielt sie ganz fest. Ich hätte Jameson nicht als den händchenhaltenden Typ eingeschätzt, |318| aber die Wärme seiner Hand war wie eine Verbindung zum Leben und riss mich zurück aus dem gestrigen Albtraum. Ich klammerte mich an sie wie an eine Rettungsleine, die mich aus dem See zog.
»Und, was ist aus Ihrer Verabredung geworden?«, fragte ich schließlich.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie ins Taxi gesetzt und nach Hause geschickt. Vermutlich ist sie ziemlich angefressen.«
Ich lächelte schwach. »Blumen. Blumen sind immer gut.«
Er warf mir einen unergründlichen Blick zu und reichte mir eine Packung Taschentücher. Ich wischte mir das Gesicht ab, putzte mir die Nase und redete einfach drauflos. Ich gab jedes Wort wieder, das Madeleine auf dem Boot zu mir gesagt hatte, und beschrieb jeden ihrer Schritte. Ich erzählte von dem Augenblick, in dem ich sie erkannt hatte, und von unserem Kampf. Es war, als erzählte ich einem Therapeuten von einem bösen Traum. Er zog ein kleines Notizbuch heraus und kritzelte etwas hinein, dann ging er nach draußen, um die örtliche Polizei anzurufen.
Eine Krankenschwester maß meine Temperatur und den Puls, dann tauchte ein Arzt auf. Er erklärte, die Kugel habe meine linke Schulter durchschlagen, und die Schwellung im gebrochenen Arm müsse erst zurückgehen, bevor sie ihn eingipsen könnten, was vermutlich morgen der Fall sein dürfte. Ich war dankbar, dass alles so sachlich und effizient ablief – Mitleid wäre in diesem Augenblick ganz falsch gewesen. Noch nie hatte ich mich so hilflos gefühlt, so wenig menschlich. Meine Gefühle waren wie eingefroren.
Jameson kam mit zwei Vertretern der Polizei von Burlington zurück und setzte sich in eine Ecke, während sie mit mir sprachen. Sie zeigten erstaunlich wenig Skepsis angesichts meiner Geschichte. Ich wusste, das lag an Jameson. Er hatte genau gewusst, mit wem er sprechen und was er sagen und tun musste. |319| Niemand schien sich darüber zu wundern, dass die Frau des Professors aus Burlington in Wirklichkeit die Frau eines kanadischen Geschäftsmannes sein sollte, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht und ihren Sohn in Gefangenschaft gelassen hatte, bis man ihn von einer Fähre warf. Manche Details musste ich mehrmals wiederholen, aber sie schienen mir zu glauben. Auch tadelte mich niemand, weil ich auf eigene Faust nach den Entführern gesucht hatte. Vielleicht dachten sie, mein Zustand sei Strafe genug. Ich wusste, wie schlimm ich aussah. Und so fühlte ich mich auch.
Philippe sei unterwegs, sagte Jameson, er werde am frühen Nachmittag hier sein.
Ich hatte das alles für Philippe und Paul getan – na schön, zum Teil auch für mich selbst, um kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, weil ich die Suche nach den Entführern zunächst verzögert hatte. So aber hatte ich es mir nicht vorgestellt. Ich hatte mir eine saubere Lösung ausgemalt, bei der anonyme Entführer gefasst und eingesperrt wurden. Abgang Troy, begeisterter Applaus.
Stattdessen würde Philippe nun erfahren, dass seine Frau jemanden ermordet hatte, mich ertränken wollte und das Gleiche vermutlich bei ihrem Sohn versucht hatte. Und dass sie gerade erst gestorben war.
Ich fühlte mich auf bizarre Weise schuldig, was gar keinen Sinn ergab. Das meiste war geschehen, lange bevor ich auf der Bildfläche erschienen war. Ohne mich wäre Paul ertrunken. Doch ohne mich würde Madeleine noch leben. Es war einfach zu viel.
Ich freute mich gar nicht darauf, Philippe zu sehen.
Er kam am frühen Nachmittag. Er trat in die Tür meines Zimmers, und ich sah, wie mitgenommen er wirkte. Jameson nickte ihm flüchtig zu und ließ uns allein.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.« Er sprach mit monotoner Stimme, vermutlich hörte ich mich genauso an. |320| »Ich habe gewartet, bis es hell wurde, und dann wollte mich die Polizei hier zuerst sehen.«
»Sie haben es dir also gesagt?« Ich meinte natürlich, dass Madeleine tot war.
Er nickte. »Sie haben die Leiche gefunden«, sagte er, und sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er sie gesehen hatte. Vielleicht hatte er es so gewollt, oder die Polizei hatte ihn gebeten, sie zu identifizieren. Natürlich hatte es schon eine Falschidentifizierung gegeben, aber sie besaß vielleicht ein besonderes
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