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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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braunes Packpapier gewickelte Flasche. »Ist noch halb voll.«
    »Wo willst du denn hin, wenn der Schnee kommt, Red? Hast schon was in Sicht?« LaPointe kennt sieben Penner auf der Main, die sich hier bereits ein Wohnrecht erschlafen haben. Er betreut sie auf ihre Art, wie er sich um die Prostituierten und die Ladenbesitzer kümmert. Früher gab es hier acht anerkannte Tramps, bis voriges Jahr der alte Jakob starb. Man fand ihn erfroren zwischen Granitplatten hinter der Werkstatt des Friedhof-Steinmetzen. Er hatte zuviel getrunken und dort seinen Rausch ausschlafen wollen. In jener Nacht hatte es stark geschneit.
    »Nee hab' noch nichts aufgerissen, Lieutenant. Macht aber nichts. Irgendwas wird schon kommen. Das kann ich Ihnen sagen. Hab' immer Glück gehabt.«
    LaPointe nickt und geht weiter. Er kann Dirtyshirt Red nicht leiden, diesen verschlagenen Dieb, Maulhelden und Lügner. Der Penner ist jedoch schon jahrelang auf der Main und hat erworbene Rechte.
    Nach Mitternacht wird die Straße langsam dunkel und still. Donnerstag ist eine lange Nacht auf der Main. LaPointe beschließt, sie zu verlassen und die Nebenstraßen weiter östlich zu kontrollieren. Er geht durch das dunkle Carré St. Louis mit seinem unbeachteten Denkmal des sterbenden Nationaldichters Crémazie:
    Pour Mon Drapeau Je Viens Ici Mourir
    Der Brunnen ist außer Betrieb, und auf eine Seite des leeren Beckens hat jemand mit schwarzem Spray L OVE geschrieben. Daneben das Friedenssymbol, darunter F UCK YO  … dann war die Spraydose leer. Das werden junge Amerikaner gewesen sein, die nach Montreal gekommen sind, um der Einberufung nach Vietnam zu entgehen. Die haben ein besonderes Talent für Spray-Malereien. LaPointe hat nicht viel übrig für die jungen bärtigen Burschen aus den Staaten, die in halbdunklen Kaffeestuben bei grausiger Musik und schlechter Luft herumhängen, ihre vergammelten Gitarren schwingen und dazu ihre Lieder mit näselndem Gesang rausstöhnen, sympathisierende Studentinnen um einen Drink anschnorren oder ihre Es-ist-ja-alles-so-traurig-Blicke in die Gegend bohren. Die meisten leben von der Arbeitslosenunterstützung und schmälern so die Mittel, die schon für die Armen in den östlichen Bezirken Montreals kaum reichen.
    Aber auch das geht vorüber, und sie sind ja kein echtes Problem, abgesehen von dem Ärger und dem Marihuana und dem anderen Kinderscheiß. Sie bringen einen neuen ausländischen Akzent auf die Main, mit hartem ›r‹ und einer komischen Aussprache von ›out‹ und ›house‹ und ›about‹, aber LaPointe wird sich auch daran gewöhnen, wie er sich an alles andere gewöhnt hat.
    Sonst findet er Amerikaner ganz sympathisch. Aus dem einfachen Grunde, weil ihm, als er in seine kurzen Flitterwochen fuhr – einunddreißig Jahre ist das jetzt her –, angenehm aufgefallen war, daß die Straßenschilder bis südlich von Lake George Village französisch waren, während bei ihm zu Hause die französischen Schilder abrupt an der Grenze von Ontario aufhörten.
    Immerhin sind diese jungen Kriegsdienstverweigerer ruhig. Anders als die amerikanischen Geschäftsleute von den Tagungsstätten auf dem Geländer der EXPO auf der Ile St. Hélène. Die Typen sind wirklich schlimm. Sie lassen sich in ihren Chrom-und-Kunstleder-Hotelbars vollaufen und schwärmen in kleinen Gruppen auf die Main aus, um mal was Tolles zu erleben, weil sie Armut mit Laster verwechseln. Sie schmeißen ein bißchen zuviel mit dem Geld herum und feilschen mit den Huren wie kleine Kinder. Immer wieder werden solche Gruppen überfallen oder verprügelt. Dann hat sich LaPointe mit Beschwerden herumzuschlagen, die beim Quartier Général eingehen, und muß sich die Leviten lesen lassen über den Tourismus und seine Bedeutung für Montreals Wirtschaftsleben.
    Auf seinem Rundgang bahnt sich LaPointe mühsam den Weg durch das Gewirr gerade der dunkelsten Gassen und Gäßchen, bis er wieder auf die Main kommt, die nun still und verlassen daliegt.
    Als er durch die schmale Straße geht, an der die Banque de Nova Scotia liegt, spürt er einen leichten Adrenalinstoß im Blut. Noch nach all den Jahren spielen seine Nerven ihm einen Streich, fühlt er einen Schock, wenn er die Straße hier entlanggeht. Das läuft automatisch ab, er hat sich daran gewöhnt. In dieser Straße hatte es ihn erwischt; hier hatte er gesessen und den Tod erwartet. Wenn ein Mann einmal das Gefühl der Unsterblichkeit verliert, kommt es niemals wieder.
    Er hatte die Straße zu Bett

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