Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
grunzt, als er die Schuhe auszieht, und bewegt die Zehen auf und ab, bevor er in die Pantoffeln schlüpft. Er lockert die Krawatte, zieht das Hemd unterm Gürtel vor und kratzt sich den Bauch.
Gleich wird das Wasser kochen, also geht er zurück in die unbeleuchtete Küche; die Pantoffeln schlappen. Seine Kaffeemaschine ist ein altmodischer Espresso-Apparat mit einem Hebel, mit dem man das Wasser durch den gemahlenen Kaffee preßt. Seine Tasse steht immer auf der Anrichte und ist immer naß am Boden, weil er sie nie abtrocknet, nur ausspült und umgekehrt auf den Geschirrtrockner stellt.
Mit der Kaffeetasse in der Hand schlurft er ins Wohnzimmer, wo er sich in seinen Lehnsessel neben dem Fenster niederläßt. Mit den Jahren haben sich Sprungfedern und Polsterung seinem Körper angepaßt, so daß sie wie angegossen sitzen. Er hält sich wie die Arbeiter von Trois Rivières die Untertasse unters Kinn und schlürft geräuschvoll. Vier lange Schlürfer, und die Tasse ist leer, ausgetrunken bis auf den Kaffeesatz. Er glaubt daran, daß eine Tasse Kaffee vor dem Zubettgehen hilft, einzuschlafen. Er stellt die Tasse beiseite und geht zum Fenster, um rauszuschauen. Drüben liegt der Park, und über dem Mont Royal ist der Himmel schmutzig, grauschwarz im schwachen Widerschein der Stadt. Hinter dem Eisengitter des Parks werfen Laternenpfähle vage Lichtmuster auf den Fußweg. Die Straße ist leer, der Park ist leer.
Er striegelt sein Haar mit der Handfläche und seufzt, behaglich und halb betäubt vom alltäglichen Trott, der sein Leben in der Wohnung bestimmt. Wie er so dasitzt, zusammengesunken, Pantoffeln an den Füßen, das Hemd überm Gürtel, sieht er nicht gerade aus wie der knallharte Bulle, der für die jungen frankokanadischen Polizisten eine Art Volksheld geworden ist wegen seines persönlichen, nur gelegentlich legalen Stils, mit der Main fertig zu werden, und wegen seiner notorischen Wurstigkeit gegenüber Verwaltungsbeamten, Vorschriften und Papierkram. Er sieht eher aus wie ein Mann in mittleren Jahren, dessen bäurisch-stämmige Figur langsam aus den Fugen gerät. Wie ein Mann, der lieber Ruhe als Glück haben will, der die Stille mehr liebt als die Musik.
Er starrt aus dem Fenster mit leerem Kopf und schlaffem Gesicht. Die Wohnung sieht er längst nicht mehr, die Lucille und er eine Woche vor ihrer Heirat gemietet hatten. Seit ihrem Tode hat er nichts umbestellt. Das altmodische Mobiliar noch jetzt da, wo Lucille es unschlüssig nach ständigem Hin und Her hat stehen gelassen. Als sie schließlich fertig waren und die Sachen so ziemlich an dem Platz waren, wo sie gleich zu Anfang gestanden, saßen sie auf dem geblümten Sofa, sie ihren Kopf an seiner Schulter, bis spät in die Nacht hinein. Auf diesem Sofa hatten sie, in der Nacht vor ihrer Hochzeit, zum erstenmal miteinander geschlafen.
Natürlich sollte die Wohnung nur ein Provisorium sein. Er würde hart arbeiten und die Abendschule besuchen, um besser Englisch zu lernen. Er würde sich im Dienst hocharbeiten, und sie würden für ein Haus sparen, vielleicht eins oben bei Laval, wo schon andere junge Paare aus Trois Rivières wohnten. Mit den Jahren sind die knallbunten Blumen auf dem Sofa ausgeblichen, am Fensterende besonders, aber das ging so langsam, daß LaPointe es gar nicht merkte. Die Kissen sind noch immer prall, weil nie jemand darauf sitzt.
Er zwinkert und preßt Daumen und Zeigefinger in die Augenhöhlen. Müde. Mit einem Seufzer drückt er sich aus dem tiefen Lehnsessel hoch und bringt die Tasse in die Küche zurück, wo er sie ausspült und für morgen früh auf den Geschirrtrockner stellt. In Shorts steht er in dem kleinen Badezimmer und rasiert sich über dem rostfleckigen Waschbecken. Die Gewohnheit, sich vor dem Zubettgehen zu rasieren, hat er seit seinem Ehejahr mit Lucille beibehalten. Mit seinen dichten, blauschwarzen Stoppeln zerkratzte er ihr immer die Wangen. Das war ein paar Monate so gegangen, ehe sie es ihm sagte, und auch dann nur halb im Scherz. So erscheint er morgens im Quartier Général immer mit einem blauschwarzen Acht-Stunden-Bart, was ihn mit einem weiteren Mythos umgibt! LaPointe hat einen Zauberrasierer; sein Bart ist stets einen Tag alt. Nie hat er einen Zwei-Tage-Bart, er ist aber auch nie glatt rasiert.
Nachdem er sich die Stoppeln von den flachen Backen geschabt hat, spült er den Mund aus. Das Wasser aus dem Hahn fängt er mit den hohlen Händen auf. Er richtet sich auf, lehnt sich mit verschränkten Armen
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