Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
fragt LaPointe und schaut auf ihn runter.
»Ach … ich dachte gerade an meine Verabredung von heute abend. Ich möchte auf keinen Fall absagen, wir gehen heute nämlich zum erstenmal aus.«
»Ach, das wird sie schon verstehen. Denken Sie sich eine Lüge aus. Sagen Sie ihr, Sie wären Polizist.«
LaPointe lehnt eine von den Einkaufstüten an die Wand des Hausflurs und kramt in seiner Tasche nach dem Schlüssel. Dann wird ihm klar, daß er eigentlich anklopfen müßte. Keine Antwort. Er klopft noch mal. Keine Reaktion.
Zuerst hat er ein Gefühl im Magen, als ob ein Fahrstuhl beim schnellen Abwärtsfahren plötzlich hält. Gleich darauf geht dieses Gefühl weg und macht einem handfesteren Platz: einem ironischem Selbstvergnügen. Er lächelt über sich – alter Trottel – und schüttelt den Kopf, während er den Schlüssel in das wackelige Schloß steckt und die Tür aufschiebt.
Licht brennt. Sie ist da.
Sie trägt Lucilles gesteppten rosa Morgenrock, den sie sich aus dem Schrank geholt haben muß, wo immer noch Lucilles Sachen hängen.
Lucilles Morgenrock.
Sie sitzt auf dem Sofa, einen Fuß unter das Gesäß geklemmt, und näht irgendwas, die Nadel mit dem Faden vor sich in der Luft. Sie hat den Mund halb geöffnet und die Augen in Alarmbereitschaft.
»Ach, Sie sind es«, sagt sie. »Ich hab' nicht aufgemacht, weil ich dachte, es ist der Hauswirt. Ich meine … er hätte vielleicht was dagegen, daß Sie ein Mädchen in der Wohnung haben.«
»Verstehe.« Er bringt die Tüten in die enge Küche. Sie legt das Nähzeug weg und geht ihm nach.
»Hier«, sagt er, »packen Sie mal den Käse aus und lassen Sie ihn auslüften.«
»Okay. Ich bin ganz leise gewesen, damit mich keiner hört.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Tun Sie nur den Käse auf einen Teller.«
»Welchen Teller?«
»Irgendeinen. Ist ganz egal.«
»Macht das dem Wirt nichts aus, wenn Sie Mädchen mit nach oben nehmen?«
LaPointe lacht: »Der Wirt bin ich.« Das stimmt zwar, aber er fühlt sich nicht als Wirt. Sieben Jahre nach Lucilles Tod hörte er, daß das Haus verkauft werden sollte. Er hatte sich an die Wohnung gewöhnt und konnte nicht begreifen, was es heißen würde, ihre Wohnung aufzugeben, Lucilles und seine – was das bedeuten würde. Weil es nichts gab, wofür er es hätte ausgeben können, hatte er ein bißchen Geld gespart, eine Hypothek aufgenommen und das Haus gekauft. Erst vor zwei Jahren hat er die letzte Rate bezahlt. Er hatte sich so an die monatliche Ausstellung des Schecks gewöhnt, daß er ganz überrascht war, als er ihn mit dem Hinweis zurückbekam, daß die Hypothek getilgt sei. Die anderen Mieter, insgesamt drei, wissen nicht, daß ihm das Haus gehört, weil er es so eingerichtet hat, daß ihre Miete der Bank überwiesen wird, die sie ihm dann gutschreibt. Er tat dies aus einer Art Schamgefühl heraus. Seine Vorstellung von ›Hauswirt‹ stammt aus den Slums von Trois Rivières, und er legt keinen Wert darauf, selber einer zu sein.
Marie-Louise sitzt am Küchentisch, die Ellenbogen auf das Wachstuch, das Kinn in die Hände gestützt, und schaut ihm zu, wie er den Salat zupft. Er hat sich ein einfaches Mahl ausgedacht: Steak, Salat, Brot, Wein. Und zum Nachtisch Käse.
»Sieht komisch aus, wenn ein Mann kocht«, sagt sie. »Kochen Sie immer selbst?«
»Ich esse meistens im Restaurant. Sonntags koche ich. Macht zur Abwechslung auch mal Spaß.«
»Hm-m.« Sie weiß nicht, was sie davon halten soll. Sie hat noch nie jemanden gekannt, der gerne kocht. Ihre Mutter bestimmt nicht. Ihr kommt der Verdacht, dieser alte Knabe sei vielleicht andersrum. Vielleicht hat er deshalb gestern abend nicht mit ihr geschlafen. »Was tun Sie denn so?«
»Ich bin bei der Polizei.« Er sagt dies mit einem Achselzucken, das ihre eventuelle Angst vor der Polizei verscheuchen soll.
»Oh.« Sie ist an seiner Arbeit nicht sehr interessiert.
Er stellte die Salatschüssel vor ihr auf den Tisch. »Hier, machen Sie sich nützlich. Mischen Sie mal.« Die Bratpfanne qualmt, und die Steaks zischen und brutzeln, als er sie hineinlegt. »Was haben Sie denn heute gemacht?« fragt er mit gepreßter Stimme, weil er gerade auf den Zehenspitzen steht und im Schrank nach einem zweiten Teller und einem zweiten Glas sucht.
»Nichts. Rumgesessen. Paar Sachen geflickt. Und noch ein Bad genommen. Durfte ich das?«
»Natürlich. Nein, nicht umrühren den Salat. Umwenden. Sehen Sie – so!«
»Was ist da der Unterschied?« In ihrer Stimme
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