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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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rum. 'n bißchen Angst, hab' mir überlegt, was kannst du jetzt machen … wo kannst du bleiben. Sehen Sie mal, es war kalt. Also, schließlich landete ich an der Bushaltestelle und saß fast die ganze Nacht da rum und hab' so getan, als wartete ich auf den Bus, damit sie mich nicht rausschmeißen. Aber der Schaffner hat mich immer so angeguckt. Ich hatte nur die Einkaufstasche für meine Sachen, und ich glaube, der hat gewußt, daß ich gar nicht auf den Bus wartete. Und dann kommt der Kerl auf mich zu und fragt mich ganz direkt. Einfach so. Sagte, er würde mir zehn Dollar geben. Der war so 'ne Art …« Sie sagt es lieber nicht.
    »So 'ne Art was?«
    »Also – er war nicht mehr jung. Jedenfalls nahm er mich mit in seine Wohnung. Er kam in Unterhosen und fummelte nur an mir rum. Aber bezahlt hat er trotzdem.«
    »Das war nett von ihm.«
    »Jaaa«, stimmt sie ihm mit einem Freimut zu, der seine Ironie glatt unterläuft. »Das war wirklich nett von ihm, nicht wahr? Ich hab' das damals noch nicht gewußt, weil ich noch nichts erlebt hatte und ich gedacht habe, alle wären so wie der. Nett, wissen Sie. Er ließ mich die Nacht über da, und am anderen Morgen besorgte er mir Frühstück. Die anderen waren meistens nicht so. Die wollen dich nur übers Ohr hauen. Oder sie sagen, du kannst die Nacht dableiben, aber wenn sie dann gekriegt haben, was sie wollen, schmeißen sie dich raus. Und wenn du Krach schlägst, mischen sie dich auch mal auf. Manche schlagen auch, um sich aufzugeilen.« Sie faßt sich mit den Fingerspitzen ans Auge. Die Schwellung ist zwar zurückgegangen, aber ein leichter grüner Schimmer ist geblieben. »Wissen Sie, was man machen muß?« bekennt sie ernsthaft. »Man muß sein Geld vorher verlangen. Das hat mir ein Mädchen gesagt, mit der ich mal 'ne Weile rumgezogen bin. Und sie hat recht gehabt.«
    »Wie lange ist das her? Als dieser Alte Sie mitgenommen hat?«
    Sie denkt nach: »Sechs Wochen. Vielleicht auch zwei Monate.«
    »Und seitdem gehen Sie sich verkaufen?«
    Sie grinst. Das klingt ja noch komischer als Lieben. »Ist nicht das Schlimmste, wissen Sie. Die Kerle nehmen mich mit in Bars und Restaurants zum Essen. Und ich geh' tanzen.« Sie zieht ihr kurzes Bein unter sich. »Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber ich tanze wirklich gut. Komisch, ich kann besser tanzen als laufen – Sie wissen, was ich meine? Tanzen find' ich schöner als alles andere. Tanzen Sie auch?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann's nicht.«
    Sie lacht. »Jeder kann tanzen. Da gibt's gar nichts zu können. Sie müssen nur so … sich bewegen.«
    »Das klingt ja gerade so, als machte Ihnen das alles furchtbar viel Spaß.«
    »Das sagen Sie nur, weil Sie's nicht glauben. Aber es stimmt. Meistens hat's mir Spaß gemacht. Nur nicht, wenn sie grob wurden. Oder wenn sie von mir … komische Sachen verlangten. Ich weiß nicht, warum, aber soweit bin ich noch nicht. Schon bei dem Gedanken kommt's mir hoch, wissen Sie? He, was ist los?«
    Er schüttelt den Kopf: »Nichts.«
    »Stört es Sie, wenn ich darüber rede?«
    »Nichts. Macht gar nichts.«
    »Manche haben das gern. Ich meine, sie haben es gern, wenn man darüber spricht. Das bringt sie auf Touren.«
    »Vergessen Sie's!«
    Sie duckt sich unwillkürlich und hebt die Arme, wie um einen Schlag abzuwehren. Ihr Vater hat sie immer geschlagen. Wenn nach einem jähen Schreck das Adrenalin abfließt, kommen Wut und Ärger nach. »Was, zum Teufel, ist denn mit Ihnen los?« fragt sie.
    Er holt tief Luft. »Nichts. Tut mir leid. Es ist nur …«
    Ihre Stimme ist steif vor Zorn: »Herrgott noch mal, man denkt doch, ein Bulle ist an so was gewöhnt!«
    »Ja, natürlich, aber …« Er krümmt die Finger. »Sagen Sie mal: Wie alt sind Sie eigentlich?«
    Sie setzt sich auf dem Sofa zurecht, entspannt sich aber nicht. »Zweiundzwanzig. Und Sie?«
    »Zweiund-, nein, dreiundfünfzig.« Er möchte zum ruhigen Fluß ihrer Unterhaltung zurück und erklärt ihr unnötigerweise: »Ich hatte vorigen Monat Geburtstag, aber ich vergesse ihn immer.«
    Sie kann sich zwar nicht vorstellen, wie einer seinen Geburtstag vergessen kann, aber sie denkt, das ist vielleicht anders, wenn man alt ist. Er ist wieder nett zu ihr. Ihr Instinkt sagt ihr, daß es ihm leid tut, ihr Angst gemacht zu haben. Jetzt ist es Zeit, sich sein Bedauern zunutze zu machen und ein paar Vorkehrungen zu treffen.
    »Kann ich heute abend noch mal hierbleiben?«
    »Natürlich. Sie können auch länger bleiben,

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