Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
auf der Straße gesprochen hat. Zuerst hatten sie Angst, weil er ein Bulle war, aber dann fingen sie an zu reden und waren fast froh, sich mit jemandem, der sie verstand wie ein Priester, aussprechen zu können. LaPointe stellte sehr wenige Fragen, aber er hatte eine Art zu nicken und seine Hand zu bewegen, die sie ermunterte, weiterzureden … und was dann? … und dann? Das war ganz anders als die rauhe, hart rangehende Tour, die der Lieutenant bei der Concierge abzog. Guttmann erinnerte sich an dessen Worte von den verschiedenen Taktiken, die man bei verschiedenen Menschen anwenden müsse: Dem einen droht man, andere schlägt man, wieder andere blamiert man.
Und noch andere versteht man? Ist Verstehen auch nur Taktik?
»Trinken wir einen Kaffee«, sagt LaPointe.
»Das ist eine großartige Idee, Sir.« Guttmanns Magen ist noch sauer von dem ganzen Kaffee, den sie gestern getrunken haben. »Ich hatte schon gedacht, wenn wir jetzt bloß bald einen Kaffee kriegen!«
Das Restaurant Le Schalom wimmelt von Gästen aus den kleinen Kleiderläden der Gegend: Junge Frauen mit nur einer halben Stunde Tischzeit stoßen und drängeln sich, um einen Imbiß zum Mitnehmen zu kaufen; laute forts von den Verladekais schieben sich Sandwiches in den Mund und flirten mit den Mädchen; eifrige junge Juden in Anzügen sprechen, über ihre Teller gebeugt, übers Geschäft. Alte Juden sind nur wenige da, denn die meisten gehören noch zur ersten Generation und halten den Schabbes ein. Es ist zwar bereits Nachmittag, aber die meisten bestellen Frühstück, weil viele heute früh gerade Zeit für eine Tasse Kaffee hatten. Außerdem sind Eier das Beste, was man für sein Geld bekommt. Dieser Teil der Mount Royal Street ist das Zentrum kleinerer Zulieferfirmen der Bekleidungsindustrie, denn die ungelernten frankokanadischen Mädchen sind billige Arbeitskräfte. Hier gibt es keine Großbetriebe, sondern nur Dutzende kleiner Firmen, meist im ersten Stock, die für die größeren Häuser Spezialaufträge ausführen.
W ELTWEITE E INFASSUNG & H OHLSAUMNÄHEREI Nathan Z. Pearl, Präsident
Hinter der Theke klingeln ununterbrochen zwei Telefone. Während drei Mädchen völlig aufgelöst hin und her rennen und alle Hände voll mit Abräumen und Bedienen zu tun haben, macht die eigentliche Arbeit hinter der Theke eine Frau mittleren Alters. Sie überwacht das Ganze, bedient die gesamte Theke, nimmt alle telefonischen Bestellungen entgegen, sorgt für raschen Nachschub an Schnellgerichten, schäkert mit den Gästen und lebt in beständiger Fehde mit dem völlig verschüchterten griechischen Koch.
Zu einem Gast: Ist das Ihr Quarter? Nein? Ist wohl für den Kaffee. Kann doch wohl kein Trinkgeld sein? Wer von euch würde einen Quarter Trinkgeld geben? Zum Koch: Zwei Fleischsandwiches. Aber mager, wenn's geht. Wo bleiben meine dreimal Ei? Hab' ich nicht, verdammt noch mal! Zu einem Gast: Bleib auf dem Teppich, Schätzchen. Ich hab' auch nur zwei Hände. Ins Telefon: Restaurant? Zwei Dänische? In Ordnung. Kaffee. Einmal mit Sahne. In Ordnung. Einmal ohne Zucker. Was ist? Wird da jemand kiebig? Moment mal, Schätzchen … Zu einem Gast: Was hast du denn, Liebling? Hier, gib mal her. Schau mal, stimmt genau. Neun, sechzehn, fünfundzwanzig, zwei rüber macht vierzehn, eins rüber macht zwei. Zähl mal nach. Und tu mir einen Gefallen. Sollte ich dich jemals bitten, mir bei der Einkommensteuer zu helfen – gib mir 'n Korb. Wieder ins Telefon: Das waren also zwei Dänische, zwei Kaffee, einmal Sahne, einmal ohne Zucker … noch was? Ein Toast, gut. Ein Ginger Ale? C'est tout? Kommt sofort. Was ist denn? Schau, Darling, wenn ich alle Bestellungen wiederholen würde, würde hier überhaupt nichts laufen. Glaub mir. Zu einem Gast: Hier sind deine Eier, Süße, 'n Guten. Zu einem Gast: Nun mal langsam mit die jungen Pferde, nicht wahr? Eilig haben's alle. Bist du was Besonderes? Zum Koch: Na, wo bleibt der Grillkäse? Was für 'n Grillkäse? Sinnlos! Hau ab! Ins Telefon: Restaurant? Sag mir, was du haben willst. Kluge Reden führen wir 'n andermal. Ja. Ja. Verstanden. Du willst das mit Toast statt was? In Ordnung. Zu einem Gast: Hör zu, hier stehen sie an. Wenn du 'ne Rede halten willst, miete dir 'n Saal. Zu LaPointe: Was darf's sein, Lieutenant? Mager, wie immer. Wer ist dieser gutaussehende Knabe? Sag bloß, auch 'n Bulle! Dazu sieht er viel zu hübsch aus. Zu einem Gast: Ich komm' ja schon! Nimm's leicht, dann lebst du länger. Zu sich selbst: Wie
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