Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
lange ich lebe, interessiert keinen Menschen.
Die Frau hinter der Theke ist Chinesin, sie hat ihr Englisch in Montreal gelernt.
Der hohe Geräuschpegel in dem Restaurant schirmt jedes Gespräch gegen Zuhörer ab, und so können LaPointe und Guttmann in Ruhe sprechen, während sie ihre dicken Fleischsandwiches essen und ihren Kaffee dazu trinken.
»Scheint ja ein reizendes Kerlchen gewesen zu sein«, sagt Guttmann, »unser hilfloses armes Opfer in der Seitenstraße.«
LaPointe zuckt die Achseln. Ob dieser Tony Green einer war, der zu Recht erstochen wurde oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Wichtiger ist, daß jemand so unverschämt war, es in LaPointes Revier zu tun.
»Also, eins kann man wohl ausschließen«, sagt Guttmann und schlürft seinen Milchkaffee, nachdem er die Tasse so gedreht hat, daß er nicht an die schwache Spur von Lippenstift am Rande kommt. »Wir können ausschließen, daß Antonio Verdini ein Priester in Zivil gewesen ist.«
LaPointe schnaubt zustimmend. Obwohl er sich an einen Fall erinnert, wo …
»Haben Sie das Gefühl, daß wir irgendwie weiterkommen, Sir?«
»Schwer zu sagen. Die meisten Morde werden nicht aufgeklärt, wissen Sie. Wir haben gute Chancen, eine Menge über diesen Tony Green zu erfahren. Von Mal zu Mal dringen wir weiter vor, von einer Tür zur nächsten Tür. Wir haben auf den Vet getippt, weil er beim Laufen so komisch hüpft. Von ihm bekamen wir die Brieftasche. Die Brieftasche führte uns zu der Pension, wo wir ein bißchen über ihn erfuhren und ein paar kurze Hinweise erhielten. Von den Mädchen erfuhren wir ein bißchen mehr. Wir gehen den Hinweisen nach, stoßen nach. Von der nächsten Tür kommen wir zu einer neuen. Und auf einmal werden wir wahrscheinlich vor einer Mauer stehen. Der letzte Raum wird keine Tür mehr haben. So einen Typ – Pariser mit Zacken – zwei Weiber auf einmal, Blutgruppe: scharf! – kann praktisch jeder umgelegt haben. Vielleicht ist er irgendeiner kleinen agace-pissette auf die Pelle gerückt, die im letzten Moment doch nicht ihre josepheté verlieren wollte, und vielleicht hat er ihr ein paar reingehauen, und vielleicht hat ihr Bruder ihn in der kleinen Straße eingeholt, vielleicht … das kann praktisch jeder gewesen sein.«
»Ja, Sir. Dann gibt's da noch die Möglichkeit, daß wir bereits auf den Killer gestoßen sind. Ich meine, der Vet könnte es sein. Sie haben ihn zwar nicht in Verdacht, aber feststeht, er hat die Brieftasche genommen, und er ist nicht der Stabilsten einer. Oder, wenn Green mit der Concierge da rumgemacht hat, hat ihn ihr Freund Arnaud umgelegt. Ich meine, wir nehmen an, daß er nicht gerade ein Pazifist ist.« Guttmann hat das Sandwich aufgegessen und schiebt den Teller mit den letzten fettigen patates frites beiseite.
»Da haben Sie recht«, sagt LaPointe. »An irgendeinem Punkt besteht bei diesem Geschäft die Chance, daß wir auf den Killer stoßen, ihn übergehen, vielleicht zurückkommen und dann noch mal auf ihn stoßen. Oder auf sie. Das bedeutet nicht, daß wir jemals Beweise in die Hand kriegen. Aber man kann nie wissen. Wenn wir am Ball bleiben, könnten wir ihn fassen, sogar blindlings. Vielleicht wird er nervös und macht 'ne Dummheit. Oder wir kriegen jemanden dazu, daß er auspackt. Darum müssen wir so tun, als ob. Immer feste drauflos, bis wir an die Mauer kommen.«
»Was machen wir jetzt?«
»Tja, Sie gehen jetzt nach Hause und sehen zu, ob Sie mit Ihrem Mädchen ins reine kommen. Und ich werde mich noch mit jemandem unterhalten. Also dann, bis Montag im Büro.«
»Sie wollen die Frau verhören, der ein Restaurant gehört? Die Lesbierin, von der die Concierge gesprochen hat?«
LaPointe nickt.
»Da würde ich gerne mitkommen. Wer weiß, vielleicht lerne ich noch was.«
»Sie meinen, das wäre möglich? Nein. Ich kenne sie. Ich kenne sie, seit sie ein kleines Kind hier auf der Straße war. Sie wird reden.«
»Aber nicht, wenn ich dabei bin?«
»Nicht so offen.«
»Weil ich ein unreifer und unerfahrener Jüngling bin?«
»Wahrscheinlich. Was immer unreif zu bedeuten hat.«
LaPointe biegt von der Maine ab und kommt an einem Haus aus braunem Sandstein vorbei, das Angehörige einer jener strengen jüdischen Sekten – die mit den Schläfenlocken – zu einer Schul' gemacht haben, er weiß nie, wie sie heißt. Jemand ruft ihn, er dreht sich um und erblickt eine auf der Main vertraute Gestalt: Ein Mann schreitet langsam und würdevoll daher, den Streimel korrekt auf dem
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