Ein Herzschlag danach
von Demos wegzuholen. Sah nicht so aus, als würde Alex dieses Versprechen halten können. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Nate von Demos und seinen Leuten wegwollte. Ich fragte ihn leise: »Warum bist du überhaupt weggelaufen?«
»Ich bin nicht weggelaufen. Schließlich bin ich alt genug, um selber zu entscheiden, was ich tun will.«
Okay, das verstand ich nur zu gut. Wie hätte ausgerechnet ich jemanden ausschimpfen können, der von zu Hause ausgerissen war?
»Und überhaupt«, fuhr Nate fort, »ist das hier viel besser als alles, was die Schule zu bieten hat. Hier ist alles cool, ich kämpfe gegen die Bösen …«
Merkte er denn nicht, dass sie ihn nur ausnutzten? Er war schließlich noch ein Kind.
»Tun wir doch gar nicht, Lila.« Suki schaute mich mit gerunzelter Stirn an. »Und er ist kein Kind mehr. Er ist so alt wie du und ich. Und wir haben unsere Entscheidung auch selbst getroffen, oder nicht? Willst du nicht für das kämpfen, woran du glaubst?«
Ich würde um Alex kämpfen. Das stand fest. Und für Jack.
»Na bitte«, sagte Suki.
»Aber das ist was anderes. Jack und Alex sind meine Familie. Das hier, das ist doch für dich nichts Persönliches, Suki.«
»Wie kommst du denn darauf? Für mich könnte es gar nicht persönlicher sein! Leute wie ich werden verfolgt, eingesperrt, ermordet. Demos will deine Mutter rächen, aber es geht auch um uns alle. Nehmen wir mal an, die Einheit würde dich in die Finger kriegen, würdest du dann nicht auch gerne wissen, dass wir hier für dich kämpfen und dich zu befreien versuchen?«
Ich fand keine Zeit mehr für eine Antwort. Die Gondel war in der Talstation angekommen und ich blickte mich verwirrt um. Wir waren wieder in der Wirklichkeit gelandet.
Wir folgten Demos hinaus zum Parkplatz. Inzwischen war es völlig dunkel geworden. In der Ferne glommen die Lichter von Palm Springs wie phosphoreszierende Glühwürmchen.
»Wohin gehen wir denn?«
Suki lachte. »Zum Batmobil.«
26
Es war ein ganz normales Wohnmobil mit Kennzeichen aus West Virginia. Harvey schloss es auf. Das also sollte das Batmobil sein? Ich sah nichts Besonderes – ein großes, ziemlich verwahrlost wirkendes Fahrzeug. Auf der Stoßstange prangte ein Aufkleber »Hupe, wenn du Jesus liebst!« und an einem der Fenster ein gelber Smiley mit der Aufschrift »Kids on tour«.
»Prima Fluchtfahrzeug, meinst du nicht?«, fragte Demos, als er einstieg.
»Äh … ja«, murmelte ich zweifelnd. Er reichte mir die Hand und zog mich hinein.
Das Innere überraschte mich. Es schien genug Platz für eine kleine Armee zu bieten, Platz sogar für eine Art Discofläche am hinteren Ende. Vielleicht für den Fall, dass ihnen das mächtige Surround- TV -System und der riesige Flachbildschirm zu langweilig wurden. Cremefarbene Ledersofas standen an den Längsseiten und am hinteren Ende befand sich eine Art abgedunkelter Korridor, von dem ein paar Türen abzugehen schienen. So ist es wahrscheinlich, wenn man als Groupie im Tourbus einer Rockband unterwegs ist, dachte ich, während ich mich mit offenem Mund umsah. Die anderen fühlten sich gleich wie zu Hause.
»Wohin fahren wir?«, fragte Amber, ließ sich auf eines der Sofas fallen und zog die Beine unter sich.
»Zum Joshua-Tree-Nationalpark.«
»Cool«, krähte Nate. »I love U2.«
Suki hob mahnend die perfekt gestylten Augenbrauen und schüttelte den Kopf. Nate machte eine ernste Miene und boxte sie in die Seite. Suki schmiss sich kichernd auf eines der Sofas. Der Witz über die Rockband U2 und ihr Album Joshua Tree schien sie herrlich zu amüsieren.
Harvey setzte sich hinter das Steuer, Bill auf den Beifahrersitz. Sie drückten auf irgendwelche Knöpfe auf dem Armaturenbrett, auf dem mehr LED s, Dioden und Anzeigen leuchteten als in einem Airbus-Cockpit. Ein Satelliten-Navigationssystem tauchte aus der Versenkung auf.
Demos verschwand in dem kleinen Korridor im Heck. Ich suchte nach einer Sitzgelegenheit. Amber und Ryder hatten auf dem einen Sofa, Nate und Suki auf dem anderen Platz genommen. Ich setzte mich zu Amber und Ryder – die Turteltäubchen waren mir allemal lieber als die Gedankenleserin und der überdrehte U2-Fan.
»Hi«, sagte ich verlegen zu Amber und Ryder.
»Hi.« Sie lächelten mich an.
Offenbar warteten sie darauf, dass ich etwas sagte. Mein Hirn setzte wieder mal aus. »Also – was genau ist ein Sifter?«, platzte ich schließlich heraus.
Ryder warf lachend den Kopf zurück. »Du nimmst aber kein Blatt vor den Mund!
Weitere Kostenlose Bücher