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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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sie sie verlassen und sich für ihn entschieden hatte, und Alan wollte nichts davon hören. War ein Neuanfang zu viel verlangt? Bitte hör auf, bat er sie. Sie redete weiter, suhlte sich in ihrer Vergangenheit. Aufhören, aufhören, aufhören, brüllte er schließlich, und sie sprachen kein Wort mehr zwischen Salt Lake City und Oregon. Jede stumme Meile verlieh ihm mehr Kraft und stärkte, so stellte er sich vor, ihren Respekt vor ihm. Seine einzigen Waffen gegen sie waren Schweigen, Trotz; er kultivierte eine gelegentliche grüblerische Intensität. Er war nie so stur gewesen wie bei ihr. Das war die Version von ihm in den sechs Jahren, die er mit ihr zusammen gewesen war. Diese Version von Alan war feurig, eifersüchtig, immer auf Trab. Nie hatte er sich lebendiger gefühlt.
    Yousef zündete sich wieder eine Zigarette an.
    – Keine besonders männliche Marke, bemerkte Alan.
    Yousef lachte. – Ich versuche aufzuhören, deshalb hab ich von der normalen Größe auf diese umgestellt. Die sind halb so dick. Weniger Nikotin.
    – Aber eleganter.
    – Elegant. Elegant. Das gefällt mir. Ja, sie sind elegant.
    Einer von Yousefs zwei Vorderzähnen stand schief, kreuzte seinen Zwilling. Dadurch wirkte sein Lächeln irgendwie besonders irre.
    – Sogar die Schachtel, sagte Alan. Sehen Sie sich die an.
    Sie war silbern und weiß und klein, wie ein Minicadillac, der von einem Insektenzuhälter gesteuert wurde.
    Yousef öffnete das Handschuhfach und warf die Schachtel hinein.
    – Besser?, sagte er.
    Alan lachte. – Danke.
    Zehn Minuten lang sprachen sie kein Wort.
    Alan überlegte, ob dieser Mann ihn überhaupt zur King Abdullah Economic City brachte. Ob er ein charmanter Kidnapper war.
    – Mögen Sie Witze?, fragte Alan.
    – Sie meinen Witze, die man sich merkt und erzählt?
    – Ja, sagte Alan. Witze, die man sich merkt und erzählt.
    – Das ist nicht typisch saudisch, solche Art von Witzen, sagte Yousef. Aber ich hab schon welche gehört. Ein britischer Typ hat mir den über die Queen und den dicken Schwanz erzählt.
    Ruby konnte seine Witze nicht ausstehen. – Wie peinlich, sagte sie, wenn sie abends ausgegangen waren und er einen oder zehn erzählt hatte. Alan kannte Unmengen Witze, und jeder, der Alan kannte, wusste, dass er Unmengen Witze kannte.
    Er war sogar mal auf die Probe gestellt worden – eine Gruppe Freunde, vor ein paar Jahren, hatte ihn angestiftet, zwei Stunden hintereinander Witze zu erzählen. Danach dachten sie, er hätte alle durch, aber er war gerade erst richtig in Fahrt gekommen. Wieso er sich so viele merken konnte, war ihm ein Rätsel. Doch sobald er einen zum Besten gegeben hatte, fiel ihm der nächste ein. Unweigerlich. Jeder Witz war mit dem nächsten verknüpft, wie die Tücherkette eines Zauberers.
    – Sei nicht so ein Trottel, sagte Ruby zu ihm. Du hörst dich an wie ein Variété-Künstler. Kein Mensch erzählt heutzutage noch Witze.
    – Ich aber.
    – Leute erzählen Witze, wenn sie nichts zu sagen haben, sagte sie.
    – Leute erzählen Witze, wenn es nichts mehr zu sagen gibt, sagte er.
    In Wahrheit hatte er das nicht gesagt. Es war ihm viele Jahre später eingefallen, aber da sprachen er und Ruby nicht mehr miteinander.
    Yousef klopfte aufs Lenkrad.
    – Okay, sagte Alan. Eine Frau hat einen kranken Mann. Er liegt monatelang im Koma, aber sie sitzt Tag für Tag an seinem Bett. Als er wieder wach wird, bedeutet er ihr, näher zu kommen. Sie rückt mit ihrem Stuhl ganz dicht an ihn ran. Seine Stimme ist schwach. Er nimmt ihre Hand. »Weißt du was?«, sagt er. »Du hast alle schlechten Zeiten mit mir durchgestanden. Als ich gefeuert wurde, warst du meine Stütze. Als meine Firma den Bach runterging, warst du bei mir. Als wir das Haus verloren, hast du mir Mut gemacht. Als es mit meiner Gesundheit bergab ging, warst du noch immer an meiner Seite … Weißt du was?« »Was denn, Schatz?«, fragt sie sanft. »Ich glaube, du bringst mir Unglück!«
    Yousef schnaubte, hustete. Er musste seine Zigarette ausdrücken.
    – Der ist gut. Damit hatte ich nicht gerechnet. Kennen Sie noch welche?
    Alan war so froh. Er hatte seit vielen Jahren nicht mehr einem dankbaren jungen Menschen einen Witz erzählt.
    – Ja klar, sagte Alan. Mal überlegen … Au ja, der ist gut. Okay, es war einmal ein Mann, der hieß Seltsam. John Seltsam. Und er konnte seinen Nachnamen nicht leiden. Dauernd machten die Leute sich drüber lustig, nannten ihn »Seltsamer Vogel« oder »Dr. Seltsam« oder so. Schließlich

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