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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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würde Alan ein Leben im Luxus bescheren. Vielleicht kein Leben im Luxus. Aber er könnte einen drohenden Bankrott abwenden, hätte etwas für den Ruhestand, Kit könnte auf dem College ihrer Wahl bleiben und wäre nicht mehr so enttäuscht vom Leben und ihrem Vater.
    Er verließ das Zimmer. Die Tür schloss sich wie ein Kanonenschuss. Er ging den orangefarbenen Flur hinunter.
    Nichts an dem Hotel deutete darauf hin, dass es sich im Königreich Saudi-Arabien befand. Der ganze Komplex, abgeschottet von der Straße und vom Meer, war frei von Inhalt oder Kontext, bar jedes arabischen Ornamentes. Dieses Hotel, Palmen und Lehmziegel, wohin das Auge blickte, hätte in Arizona stehen können, in Orlando, überall.
    Alan spähte hinunter ins Atrium, zehn Stockwerke tief, wo Dutzende Männer herumwuselten, alle in traditioneller saudischer Kleidung. Alan musste sich die Terminologie merken: Die langen weißen Gewänder hießen Thawbs. Das Tuch, das Haare und Hals bedeckte, war die Ghutra, die durch die schwarze, runde Kordel namens Iqal gehalten wurde. Alan sah die Männer herumwuseln, und die Thawbs ließen ihre Bewegungen beinahe schwerelos wirken. Eine Versammlung von Geistern.
    Am Ende des Flurs bemerkte er eine sich schließende Fahrstuhltür. Er trabte hin und schob im letzten Moment eine Hand in die Lücke. Die Türen öffneten sich zuckend, erschrocken und kleinlaut. In dem Glasfahrstuhl waren vier Männer, alle in Thawbs und Ghutras. Ein paar blickten kurz zu Alan hoch, richteten die Augen dann aber rasch wieder auf einen neuen Tablet-Computer, den sie zwischen sich hielten. Der Besitzer führte die Keypad-Funktion vor und drehte das Gerät unentwegt, wobei sich die Tasten brav neu konfigurierten, was seinen Freunden großen Spaß bereitete.
    Der Glaskasten, der sie alle barg, sackte durch das Atrium in die Lobby, lautlos wie Schnee, und die Türen öffneten sich vor einer falschen Felswand. Chlorgeruch.
    Alan hielt für die Saudis die Tür auf, keiner von ihnen dankte ihm. Er folgte. Springbrunnen warfen Wasser in die Luft, grundlos und unrhythmisch.
    Er setzte sich an einen kleinen gusseisernen Tisch in der Lobby. Ein Kellner erschien. Alan bestellte Kaffee.
    In der Nähe saßen zwei Männer zusammen, einer schwarz, der andere weiß, beide in identischen weißen Thawbs. Laut Alans Reiseführer herrschte in Saudi-Arabien ein ausgeprägter, sogar unverhüllter Rassismus, und jetzt das. Vielleicht kein Beweis für gesellschaftliche Harmonie, aber dennoch. Ihm fiel kein einziges Beispiel dafür ein, dass eine in einem Reiseführer beschriebene Sitte oder Behauptung je in der Praxis bestätigt worden wäre. Die Vermittlung von kulturellen Normen war wie die Durchsage von Verkehrsmeldungen. Wenn du sie bekannt gabst, waren sie schon nicht mehr relevant.
    Jetzt stand jemand in der Nähe von Alan. Alan blickte auf und sah einen rundlichen Mann, der eine sehr dünne weiße Zigarette rauchte. Er hob eine Hand, als wollte er winken. Alan winkte, verwirrt.
    – Alan? Sind Sie Alan Clay?
    – Der bin ich.
    Der Mann drückte seine Zigarette in einem Glasaschenbecher aus und gab Alan die Hand. Seine Finger waren lang und dünn, weich wie Fensterleder.
    – Sind Sie der Fahrer?, fragte Alan.
    – Fahrer, Reiseführer, Held. Yousef, sagte der Mann.
    Alan stand auf. Yousef war klein, und der cremeweiße Thawb verlieh seiner stämmigen Statur die Silhouette eines Pinguins. Er war jung, kaum älter als Kit. Sein Gesicht war rund, faltenlos, mit dem flaumigen Schnurrbart eines Teenagers.
    – Sie trinken Kaffee?
    – Ja.
    – Wollen Sie ihn austrinken?
    – Nein danke.
    – Gut. Dann hier lang.
    Sie gingen nach draußen. Die Hitze war ein lebendiges Raubtier.
    – Da drüben, sagte Yousef, und sie hasteten über den kleinen Parkplatz zu einem alten pfützenbraunen Chevy Caprice. Das ist meine große Liebe, sagte Yousef, präsentierte ihn wie ein Zauberer einen Strauß falscher Blumen.
    Der Wagen war eine Schrottkiste.
    – Sind Sie startklar? Haben Sie keine Tasche oder so?
    Alan hatte keine. Früher trug er immer eine Aktentasche bei sich, Schreibblocks, aber er hatte sich die Notizen, die er auf irgendwelchen Meetings machte, kein einziges Mal angesehen. Jetzt saß er in Meetings, ohne irgendwas aufzuschreiben, und diese Praxis war eine Kraftquelle geworden. Die Leute setzten bei jemandem, der sich keine Notizen machte, große Scharfsinnigkeit voraus.
    Alan öffnete die hintere Tür.
    – Nein, nein, sagte Yousef. Ich bin kein

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