Ein Jahr - eine Chance
Liegen um. An die Decke und das Kissen konnte sie sich gar nicht erinnern. Ob Mr. Crawford ihr das gegeben hatte? Sollte er vielleicht doch ein ganz Netter sein?
Madeleine rieb sich die Augen und sah auf die Uhr. Es war Viertel vor vier. Langsam kamen leise Stimmen im Flur auf die Apartmenttür zu. Die Männer blieben kurz davor stehen, unterhielten sich und lachten noch, dann wurde die Tür geöffnet und Mr. Crawford trat ein.
Langsam richtete sich Madeleine auf und sah zu ihm hinüber.
„Hey. Hast du bis jetzt geschlafen?“, fragte er und setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel.
„Geht es dir besser?“
Erst jetzt fiel ihr auf, dass er sie duzte.
„Ja, danke“, brachte sie nur heraus.
Die Vorfälle und Eindrücke vor dem Schlaf und die ungewohnten Eindrücke, als sie aufgewacht war, hielten sie noch gefangen.
„Schön, dann können wir ja einkaufen fahren.“
„Was können wir?“
Torben Crawford lächelte sie leicht süffisant an. „Schoppen? Ich dachte, dass macht ihr Frauen gerne.“
„Ich nicht, aber ich bin auch offensichtlich keine normale Frau.“
Madeleine stand auf, faltete die Decke zusammen, schüttelte das Kissen auf, legte es ordentlich auf die Decke und verschwand im Badezimmer.
Hier wurde ihr bewusst, dass sie zwar ein eigenes Schlafzimmer hatte, aber sich das Badezimmer mit ihm teilen musste.
„Auch das noch“, brummelte sie knurrig vor sich hin, während sie ins Schlafzimmer ging und ihre Kulturtasche holte.
Zehn Minuten später stand sie frisch zurechtgemacht vor ihm und sah ihn nur auffordernd an.
„Oh, schon fertig?“, lachte er fröhlich, stand auf, legte seine Hand auf ihren Rücken und schob sie sanft zur Tür.
„Na dann los. Der Wagen wartet unten auf uns.“
6
Im Fahrstuhl sagte keiner etwas. Als sich die Schiebetür im Erdgeschoss öffnete, schluckte Madeleine direkt. Sie selber war noch nie in einem dieser Edelhotels gewesen, auch in Las Vegas nicht, da der Fahrer sie ja gleich hinter die Hotelanlage zum Hubschrauber gebracht hatte.
Es war absolut traumhaft, einfach unglaublich. Die Eingangshalle glänzte geradezu. Die Böden waren aus feinstem weißen Marmor, das Holz der Möbel sicherlich aus einer allerfeinsten Edelsorte und überall waren Goldverzierungen.
Madeleine seufzte schwer und folgte dann einfach ihrem neuen Chef. Sie hatte sich fest vorgenommen, diese Aktion so zu sehen. Vermutlich war das die einzige Möglichkeit, das Ganze so einigermaßen zu überstehen. Auch wenn sie noch immer nicht genau wusste, worauf sie sich eingelassen hatte und was auf sie zukäme.
Wieder legte Torben Crawford leicht seine Hand auf ihren Rücken.
Wem wollte er denn mit dieser Geste etwas beweisen, schoss es Madeleine durch den Kopf, aber sie wusste nicht, ob sie sich darüber ärgern sollte, denn wenn sie ehrlich zu sich war, gefiel ihr diese eigentlich nette Geste. Es signalisierte: Sie gehört zu mir! Und das konnte man so oder so auslegen.
Madeleine hatte sich fest vorgenommen, sich so wenig wie möglich zu ärgern und so viel Positives wie möglich aus jeder einzelnen Situation herauszuholen. Wenn alles klappte, würde das ein ganzes Jahr andauern und so ein Jahr konnte verdammt lange werden.
Langsam schritten sie durch diese riesige Empfangshalle nach draußen, wo schon eine Limousine auf sie wartete.
Als der Wagen losfuhr, nahm er eine ihrer Hände.
„Du hast ja Eishände, Darling.“
Besorgt sah er sie an und umfasste sogleich mit beiden Händen die ihren, als wenn er sie wärmen wollte.
„Es ist ja auch nicht gerade warm. Es ist Oktober“, sagte sie ruhig und versuchte, sich nicht schnippisch anzuhören.
Torben Crawford lachte.
„Wir haben fast zehn Grad draußen. Ist es so schlimm mit mir?“
Seine Blicke ließen sie geradezu dahinschmelzen.
„Ich bin noch nicht so richtig in meiner neuen Rolle und der Situation angekommen. Wo sind wir überhaupt?“
„In Reno. Ich habe vier große Luxushotels. Zwei davon haben ein sehr großes Casino anbei. Das in Las Vegas und das hier in Reno. Wir bleiben ungefähr zwei Wochen hier. Danach fliegen wir nach San Francisco in mein drittes Hotel. Dort wird das Klima etwas milder sein.“
Madeleine nickte nur und sah aus dem Fenster. Gerade als sie fragen wollte, wo sie denn hinfuhren, blieb die Limousine stehen. Der Chauffeur stieg aus und öffnete die Tür. Torben Crawford stieg aus und half ihr aus dem Wagen.
Sie standen vor einer dieser First-Class-Boutiquen, wo sie vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher