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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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wieder da. Er erinnerte sich, welches Unbehagen ihn in Bezug auf diesen Deal in der Werft an der Donau beschlichen hatte. Er hatte versucht, dem Schicksal zu entrinnen, indem er die eingespielte Praxis änderte. Aber die Maßnahmen zur Umgehung der Probleme hatten nur bewirkt, dass es ihn einfach auf direkterem Weg ereilte. »Kamal ist ein ganzes Ende von den Straßendealern weg«, betonte er.
    »Aber vielleicht nicht weit genug«, knurrte Krasic. »Bisher hat es nur immer ’n paar Pappfiguren zwischen euch gegeben, er hat niemals sagen können: ›Tadeusz Radecki hat mir persönlich dieses Heroin geliefert.‹ Wir wissen nicht, wie viel die Bullen wissen. Sie könnten ihm eventuell einen oder zwei Schritte voraus sein. Und wenn er eine Vereinbarung angeboten bekommt, die ihm viele Schwierigkeiten erspart, dann denkt er vielleicht daran, dich ans Messer zu liefern.«
    Jetzt hörte Tadeusz wirklich aufmerksam zu, sein träges Desinteresse war endgültig vorbei. »Ich dachte, Kamal sei zuverlässig.«
    »Niemand ist zuverlässig, wenn der Preis stimmt.«
    Tadeusz drehte sich auf dem Sitz um und fixierte Krasic mit dem scharfen Blick seiner blauen Augen. »Nicht mal du, Darko?«
    »Tadzio, ich bin zuverlässig, weil sich niemand leisten kann, mich zu bezahlen«, sagte Krasic und legte eine kräftige Hand auf das Knie seines Chefs.
    »Was meinst du also?« Tadeusz zog sein Knie weg und machte damit unwillkürlich den Abstand zwischen ihnen deutlich, dessen er sich wohl bewusst war.
    Krasic rutschte auf dem Sitz herum und starrte aus dem Fenster an Tadeusz vorbei. »Wir könnten es uns leisten, Kamal zu verlieren.«
    Vor zwei Monaten hätte Tadeusz einfach genickt und etwas gesagt wie: »Tu, was nötig ist.« Aber vor zwei Monaten war Katerina noch am Leben. Er hatte seine Haltung zum Verlust eines geliebten Menschen noch nicht überdenken müssen und hing noch nicht dem sentimentalen Gedanken nach, dass Kamal für einen anderen Menschen das sein könnte, was Katerina für ihn gewesen war. Er kannte Kamal, seine Käuflichkeit, seine Machtspielchen, seine erbärmlichen, angeberischen Versuche, sich als jemand darzustellen, mit dem man rechnen musste. Aber der plötzliche Todesschmerz hatte ihn auf ganz unerwartete Weise mitfühlend gemacht. Tadeusz war jetzt nicht wohl bei dem Gedanken, Kamal wegen der entfernten Möglichkeit, dass es ihm zu seinem persönlichen Vorteil gereichen könnte, umbringen zu lassen. Und zugleich war ihm klar, dass er es sich nicht leisten konnte, Krasic, der es bestimmt als Schwäche auslegen würde, dies wissen zu lassen. Es wäre wirklich sehr unklug, einem Mann wie Krasic seine schwache Seite zu deutlich zu zeigen, wie loyal er auch immer sein mochte. All dies schoss Tadeusz durch den Kopf. »Warten wir ab«, sagte er. »Wenn wir uns jetzt gleich von Kamal trennen, würde das nur bei der Polizei Verdacht erwecken. Aber sollte es irgendein Anzeichen geben, dass sie es auf ihn abgesehen haben … dann weißt du, was zu tun ist, Darko.«
    Krasic nickte zufrieden. »Überlass es mir. Ich mache ein paar Anrufe.«
    Der Wagen brauste am Schloss Charlottenburg vorbei und bog in die stille Seitenstraße ein, wo Tadeusz wohnte. »Melde dich morgen früh bei mir«, sagte er, öffnete die Wagentür und schloss sie leise, aber bestimmt wieder hinter sich. Ohne zurückzublicken, verschwand er im Haus.
     
    Obwohl der Himmel grau und bedeckt war, brauchten Carols Augen eine Weile, bis sie sich an das Halbdunkel in dem Pub am Kai gewöhnt hatten, das Tony als Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Sie blinzelte, als sie die ruhige Country-Musik im Hintergrund spielen hörte. Der Barkeeper sah von seiner Zeitung auf und lächelte ihr kurz zu. Sie sah sich um und betrachtete die Fischernetze, die mit ihren grellbunten, in langen Jahren voller Zigarettenrauch vergilbten Schwimmern unter der Decke hingen. Aquarelle von Fischerhäfen am East Neuk zierten überall die mit Holz getäfelten Wände. Die einzigen anderen Gäste schienen zwei ältere Männer zu sein, die in ihr Dominospiel vertieft waren. Keine Spur von Tony.
    »Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte der Barmann, als er zu ihr herüberkam.
    »Gibt’s bei Ihnen Kaffee?«
    »Mhm.« Er wandte sich um und schaltete einen Wasserkocher an, der zwischen den Likör- und Aperitifflaschen unter dem Regal mit Spirituosen deplatziert wirkte.
    Hinter ihr ging die Tür auf. Carol drehte den Kopf, und ihr wurde eng um die Brust. »Hi«, sagte sie.
    Tony ging die paar Meter

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