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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verhielt sich still. Der Verlust des Hundes erschien sehr bedauerlich, denn jener hätte die kleine Gesellschaft vor jeder Ueberrumpelung gehütet.
    »Sollte Dingo Harris nachgelaufen sein? fragte Tom.
    – Harris – nein, entgegnete Dick Sand. Wohl aber könnte er Negoro’s Spur verfolgen; er witterte jenen uns auf dem Fuße.
    – Dieser unselige Koch wird nichts Eiligeres zu thun haben, als ihn mit einer Kugel zu begrüßen!…
    – Wenn ihm Dingo nicht vorher an der Kehle sitzt, warf Bat ein.
    – Vielleicht, antwortete der junge Leichtmatrose. Doch wir können Dingo’s Rückkunft hier nicht abwarten; ist er noch am Leben, so ist er auch klug genug, uns wieder aufzufinden. Vorwärts also!«
    Die Witterung war ziemlich schwül. Seit Tagesanbruch lagerten schwere Wolkenmassen am Horizonte, ein Gewitter schien in der Luft zu liegen.
    Voraussichtlich endete der Tag nicht ohne einige Donnerschläge. Glücklicher Weise bewahrte der Wald, wenn er auch minder dicht war, dem Erdboden noch eine gewisse Frische. Da und dort rahmte ein hochstämmiger Wald offene Wiesenflächen, mit hohen, dichten Gräsern ein. An manchen Stellen lagen ungeheure, schon versteinerte Baumstämme am Boden – ein Anzeichen kohlenführenden Untergrundes, dem man auf dem Festlande Afrikas sehr häufig begegnet. An den lichteren Stellen, deren grüner Unterteppich auch mit einzelnen röthlichen Büschen besetzt war, leuchteten Blumen in den verschiedensten Farben, wie gelber oder blauer Ingwer, zartblasse Lobelien oder brennendrothe Orchideen, alle von ganzen Schwärmen Insecten besucht, welche sie gegenseitig befruchteten.
    Die Bäume bildeten letzt nicht mehr undurchdringliche Gehölze, dagegen zeigten sie mehr Wechsel der Arten. Hier erhoben sich Palmen, welche ein in Afrika sehr gesuchtes Oel liefern, dort Baumwollenstauden von acht bis zehn Fuß Höhe, aus deren holzigen Stengeln ein der Baumwolle von Fernambuco ähnliches, langfaseriges Product erzeugt wird. Wieder an anderen Stellen ließen Copalbäume aus kleinen, von dem Rüssel gewisser Insecten gebohrten Oeffnungen ihr wohlriechendes Harz ausschwitzen, das bis zum Erdboden herablief und sich daselbst für die Bedürfnisse der Eingebornen ansammelte. Hier standen Citronenbäume, wilde Granaten und zwanzig andere Baumspecies zerstreut umher, ein schönes Zeugniß für die Fruchtbarkeit der innerafrikanischen Niederungen. Gleichzeitig ward auch der Geruchsinn durch einen zarten Vanilleduft angenehm erregt, ohne daß man die Pflanze, welche ihn ausströmte, hätte nachweisen können.
    Alle diese Bäume und Sträucher grünten üppig trotz der eben herrschenden trockenen Saison, während der nur vereinzelte Gewitter diese reichen ergiebigen Gegenden benetzen. Jetzt war auch die Zeit der Fieber; von diesen kann man sich jedoch, wie Livingstone bemerkt, meistens befreien, indem man die Orte, wo jene erworben wurden, schleunig verläßt. Dick Sand kannte diese Beobachtung des berühmten Reisenden und hoffte, daß sie sich auch bei dem kleinen Jack bewähren würde. Er sprach davon gegen Mrs. Weldon, nachdem er sich überzeugt, daß der erwartete periodische Fieberanfall ausgeblieben war und das Kind friedlich in Herkules’ Armen ruhte.
    Man wanderte also vorsichtig und schnell weiter. Manchmal zeigten sich neuere Spuren von vorübergekommenen Menschen und Thieren. Die zurückgebogenen oder abgebrochenen Aeste der Gebüsche gestatteten dann ein ungehindertes Vordringen. Den größten Theil der Zeit aber hielten allerlei erst zu besiegende Hemmnisse die kleine Gesellschaft zu Dick Sand’s großem Leidwesen auf. Hier waren es verschlungene Lianen, welche man treffend mit der in Unordnung gerathenen Takelage eines Schiffes verglichen hat, oder Reben, ähnlich etwa gezogenem Damascenerstahle, dessen Fasern mit Stacheln besetzt wären; fünfzig bis sechzig Fuß lange Schlangengewächse mit der unangenehmen Eigenschaft, daß sie sich erst zurückbiegen und dann den Vorübergehenden mit ihren spitzen Dornen verletzen. Mit mächtigen Beilhieben erzwangen die Neger wohl einen Durchgang, doch immer und immer wieder standen sie vor solchen Schlingpflanzen, welche die höchsten Bäume von der Wurzel bis zum Gipfel umrankten.
    Auch das Thierreich dieser Provinz war nicht minder merkwürdig. In großer Anzahl flatterten die Vögel unter diesem mächtigen Laubdache umher, hatten aber erklärlicher Weise keinen Flintenschuß von Leuten zu fürchten, denen selbst daran lag, unbemerkt und schnell vorwärts zu

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