Ein Kapitän von 15 Jahren
ihn auch erwarten mochte – er war bereit zu Allem.
Wenn Negoro zuerst die Eingebornen abhielt, Harris’ Mörder zu tödten, so versteht es sich, daß er Dick Sand zu einer jener entsetzlichen Todesstrafen verdammt wissen wollte, welche das Geheimniß der eingebornen Stämme sind. Der Schiffskoch hatte den Kapitän von fünfzehn Jahren in seiner Gewalt; jetzt fehlte ihm nur Herkules, um seine Rache vollständig zu machen.
Zwei Tage nachher, am 28. Mai, nahm der Markt, der große »Lakoni«, seinen Anfang, auf dem sich die Händler der verschiedenen Factoreien des Binnenlandes und die Eingebornen aus den benachbarten Provinzen von Angola zusammenfanden. Dieser Markt war nicht speciell zum Sklavenhandel bestimmt, sondern es vereinigten sich hier alle Erzeugnisse des fruchtbaren Afrikas.
Schon vom frühen Morgen ab zeigte sich die große Tchitoka von Kazonnde ganz außerordentlich belebt, so daß man sich davon nur schwer eine zutreffende Vorstellung zu machen vermag.
Mit Hinzurechnung der Sklaven des Jose-Antonio Alvez, unter welchen sich auch Tom nebst seinen Gefährten befand, bewegten sich hier vier-bis fünftausend Menschen bunt durcheinander. Gerade die erwähnten armen Leute mußten voraussichtlich, da sie von fremder Race waren, auf dieser Menschenfleisch-Börse am meisten gesucht sein.
Alvez traf hier zuerst von Allen ein; unter Coïmbra’s Mithilfe vertheilte er die Sklaven in einzelne Loose, aus denen dann verschiedene Karawanen gebildet wurden.
Unter den Händlern aus dem Innern bemerkte man auch einige Mestizen aus Ujiji, dem Hauptstapelplatz des Taganyika-Sees, und Araber, welche in diesem Handelszweige jenen Mestizen offenbar weit überlegen waren.
Auch Eingeborne tummelten sich in großer Zahl umher. Hier sah man Kinder, Männer und Frauen, jene passionirten Händlerinnen, welche bezüglich ihres Handelslatentes gewiß mit jedem weißen Kaufmann gewetteifert hätten. In den Hallen der größten Städte herrscht auch an einem eigentlichen Meßtage sicher weder mehr Geräusch, noch erscheint der Gang der Geschäfte lebhafter. Bei civilisirten Völkern übertrifft die Sucht zu verkaufen weitaus die Lust einzukaufen. Hier unter den Wilden Afrikas entwickelt sich Angebot und Nachfrage mit gleichmäßiger Leidenschaftlichkeit.
Für Eingeborne beiderlei Geschlechts ist der Lakoni ein Festtag, und selbst wenn sie dazu nicht ihre besten Kleider angelegt hatten, so trugen sie doch mindestens die kostbarsten Zierrathen.
Das Haar in vier mit kleinen Kissen bedeckte Abtheilungen vertheilt und das untere Ende der Flechten chignonähnlich zusammengebunden oder fast vorhangsartig vorn über den Kopf herabfallend, mit Büscheln von rothen Blumen – Haarfrisuren, bestehend aus zurückgebogenen, mit rothem Thon und Oel eingesalbten Hörnern, wie mit dem bekannten Mennigegemisch, das man zum Dichten von Dampfapparaten gebraucht – in jenen Haufen eigener oder falscher Haare eine Menge kleiner Brochen, Nadeln aus Eisen oder Elfenbein, zuweilen auch, vorzüglich bei den Stutzern, ein Tätowirmesser in dem krausen Gewirr befestigt, von dem wieder viele einzelne Haare, dadurch, daß an ihnen Safi, d.h. Glasperlen, aufgereiht sind, eine gebogene Linie verschiedenfarbiger Körnchen bildet – das waren etwa die Gebäude, die sich meist auf den Köpfen der Männer aufthürmten. Die Frauen zogen es vor, ihr Haar in eine große Anzahl kleiner, kirschgroßer Tollen zusammenzuballen, oder es in festen Strähnen gewunden fransenähnlich so zu tragen, daß das untere Ende der letzteren eine gewisse Figur darstellte oder pfropfenzieherartig neben dem Antlitz herabhing. Andere einfachere und vielleicht hübschere Mädchen und Frauen ließen das lose Haar nach englischer Mode auf den Rücken herabfallen, während es wiederum Andere nach französischer Mode als halben Vorhang über die Stirn trugen. Auf den dicken Haarhauben glänzte dann fast immer ein reichlicher Kitt von Oel, Thon oder leuchtender »Ukola«, eine rothe aus dem Sandelholz extrahirte Substanz, so daß die elegantesten wie mit gebrannten Ziegeln frisirt erschienen.
Man darf aber nicht glauben, daß dieser Luxus in der Ausschmückung sich allein auf’s Haar erstreckte. Wozu dienten die Ohren, wenn nicht zum Durchstecken von Stäbchen kostbaren Holzes, von durchbrochenen Kupferringen, von feingeflochtenen Maiskettchen oder kleinen Kürbissen, die als Tabaksdosen dienten – so daß die ausgedehnten Ohrläppchen zuweilen bis auf die Schultern ihrer Träger
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