Ein Kind, das niemand vermisst
nicht. Ich lese aber auch keine Zeitung.«
Natürlich nicht, dachte Haines grimmig. Es würde sie wundern, wenn diese Frau bis drei zählen konnte.
»Kennen Sie das Hotel, in dem er sich aufhält?«
»Er fährt in kein Hotel.« Sie blickte verlegen zur Seite. »Er fährt zu einer Frau.«
Haines stöhnte innerlich. »Die da heißt?«
»Vanessa Giles. Ich musste ein paar Mal Blumengrüße verschicken«
»Dann haben Sie also die Adresse?«
»Oh ja, stimmt.« Sie tippte etwas in ihren Computer und schrieb kurz darauf etwas auf einem Notizzettel.
»Kommen Sie damit ins Internet?« Haines deutete auf den Computer.
»Klar.«
»Dann schauen Sie doch mal, ob ein Telefonbucheintrag existiert.«
Die Blonde wurde rot und schlug sich mit der Hand eine Spur zu sanft auf die Stirn. »Daran hätte ich ja auch denken können.«
Haines verdrehte die Augen, kehrte aber wenige Minuten später mit Adresse und Telefonnummer zu ihrem Auto zurück.
Chloe schlug die Augen auf. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt. Die Klingel? Vorsichtig kletterte sie die Sprossen der Leiter herunter und schlich zur Treppe. Abena und Yuna waren noch nicht zurück. Vielleicht hatten sie ihren Schlüssel vergessen? Erneut klingelte jemand an der Tür.Dann klopfte es. Unsicher setzte sie einen Fuß auf die Stufe. Sollte sie nachsehen? Würde sie Ärger bekommen? Einen verrückten Augenblick lang dachte sie, dass es ihr Vater sein könnte, der gekommen war um sie abzuholen. Der ihr dann über das Haar streicheln und ihr sagen würde, dass alles wieder in Ordnung kommt. Doch ihr Vater konnte nicht wissen, dass sie hier war. Er war bei einer anderen Frau. Hätte sie nicht selbst dieses eine Telefongespräch von ihm mitgehört, hätte sie Libby vermutlich nicht geglaubt. Doch er hatte die Frau Liebling genannt und gesagt, dass er sie bald wieder treffen wollte. Und dann hatte er Kussgeräusche gemacht. Chloe hatte sich unter dem Küchentisch versteckt und er hatte sie nicht bemerkt. Er bemerkte sie sowieso kaum noch. Nicht einmal, wenn sie ihn am Ärmel zupfte. Er strich dann lediglich ihre Hand weg, als wäre sie eine lästige Fliege. Immer war er in Eile, wenn er da war. Aber meistens war er auf der Arbeit oder auf Geschäftsreise.
Ein Klirren ließ sie zusammen zucken. Jemand musste die Fensterscheibe eingeschlagen haben. Ihre Knie wurden weich und sie schnappte nach Luft. Das mussten Einbrecher sein!
Schnell sah sie sich nach einem Versteck um. Hinter der Waschmaschine war nicht genug Platz. Im Bett würde man sie sehen. Aber vielleicht konnte sie sich unter das Etagenbett legen und die Matratze davor schieben.
Sie hastete zum Bett und und versuchte darunter zu kriechen, doch ihr Kopf war einfach zu groß. Nun waren laute Schritte und Rufe vom Obergeschoss zu hören. Hektisch sah sie sich nach allen Seiten um, dann sprang sie aufs untere Bett und warf sich zwei Decken und mehrere Kleidungsstücke über den Körper. Sie musste aufhören zu zittern! Der ganze Wäscheberg musste wackeln. So würde man sie sofort sehen. »Pssst«, sagte sie leise zu sich selbst. Sie hörte wie die Tür zum Keller geöffnet wurden und jemand laut die Stufen hinunter polterte.
»Ich hab sie, Sir!« rief eine weibliche Stimme. Chloe war starr vor Schreck.
»Hey, Kleines! Du bist sicher. Niemand tut dir was. Wir sind von der Polizei.«
Die Stimmung bei der Dienstbesprechung am nächsten Morgen war ausgelassen. Die Erleichterung darüber Chloe lebend gefunden zu haben, war den meisten Beamten deutlich vom Gesicht abzulesen.
»Sie wurde im Haus eines Paul Harket gefunden, einem vierzigjährigen Mechaniker. Anscheinend bietet Harket illegal eingewanderten Frauen Unterschlupf bei sich. Sie gehen für ihn anschaffen und er hält fleißig die Hand auf.«
»Wie ist sie denn an den geraten?«, fragte Fitz.
»Unser alter Bekannter Richard McMiller hat sie zu ihm gebracht. Er hat Harket dreißig Pfund für Kost und Logis bezahlt.«
»Hat er sie auf ...den Strich geschickt?«, fragte DS Gabler.
»Nein. Er behauptet er habe ihr nur einen Schlafplatz gegeben, weil sie nicht nach Hause wollte. Er will McMiller bloß einen Gefallen getan haben.«
»Aber der wird doch sicher nicht aus reiner Nächstenliebe einer Ausreißerin ein Bett und Verpflegung anbieten.«
»Da haben Sie sicher recht, Gabler. Nach ersten Erkenntnissen hat McMiller Fotos von ihr gemacht. Inwieweit Harket darin verwickelt ist, weiß man noch nicht, aber das ist auch Sache der Kollegen
Weitere Kostenlose Bücher