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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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alles, was damit zusammenhing. Worauf Rosie in Tränen ausbrach.
    Seine Versuche, das Gesagte abzuschwächen, umzudeuten oder zurückzunehmen, machten alles nur noch schlimmer. Irgendwann schrie sie und warf ihm äußerst hässliche Vorwürfe an den Kopf, bis er sich wünschte, die Erde möge sich auftun und ihn verschlingen oder es möge sonst irgendetwas passieren.
    Tatsächlich passierte etwas: Zwei vollgetankte Passagierflugzeuge rasten in die Türme des World Trade Centers, ein drittes ins Pentagon. Vincent und Rosie erfuhren davon durch einen Telefonanruf ihrer Mutter, die immer nur schrie, sie sollten den Fernseher einschalten, sie sollten den Fernseher einschalten, es sei furchtbar. Sie schalteten den Fernseher ein und sahen die Bilder der Einschläge, wieder und wieder, was sie den Rest des Tages in einer Art Schreckstarre verbringen und ihre Auseinandersetzung erst einmal vergessen ließ.
    Einige Tage später ging Rosie zum Arzt. Der stellte fest, dass das mit ihrer Schwangerschaft ein Fehlalarm gewesen war, wie erbei frei käuflichen Tests immer wieder vorkam. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – wurde es nie wieder so wie vorher.
    Um Weihnachten herum verschärfte sich die Krise, weil Vincent sich dagegen sträubte, Rosies Eltern zu besuchen, und im darauffolgenden Frühjahr lernte Rosie jemand anders kennen, einen Urologen, mit dem sie nach New York zog.
    Vincent war traurig und erleichtert zugleich. Traurig, weil es wieder mal nichts geworden war – und wahrscheinlich nie etwas werden würde, weil die Frau, die zu ihm passte, eine Hackerin sein musste, und wie viele gab es davon auf der Welt? – und erleichtert, weil er so die ständigen Auseinandersetzungen der letzten Zeit endlich los war.
    »Du musst lernen, damit zu leben«, meinte seine Mutter, als er ihr am Telefon davon erzählte. »Du bist eben mein Sohn.« Sie seufzte. »Das mit Bert ist übrigens auch aus. Ich zieh nächste Woche wieder nach Philadelphia.«
    »Bert?«, wunderte sich Vincent. »Ich dachte, er hieß Jeremiah?«
    »Das war der davor«, korrigierte sie ihn mit mildem Tadel in der Stimme.
    »Der Börsenmakler?«
    »Nein, das war Richard. Jeremiah war der mit der Pferdezucht. Seinetwegen bin ich doch nach Longwood rausgezogen.«
    »Ach so«, sagte Vincent und beschloss, sich nicht mehr auf Affären einzulassen. Dann strich er Rosies Namen in seinem Adressbuch durch und widmete sich wieder seiner Arbeit.
    ***
    Im Sommer 2002 verschwand der Abgeordnete Frank Hill aus dem Alltag der Firma SIT: Wegen seiner Verdienste um den Staat Florida und hymnisch gelobt von Gouverneur Jeb Bush entsandte ihn das Parlament als Sprecher ins Repräsentantenhaus, und er zog nach Washington, D.C., um.
    Das alles beherrschende Thema des Jahres war der Irak: Besaß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen, oder hatte er vor,welche anzuschaffen? Die Inspektoren der Vereinten Nationen fanden keine diesbezüglichen Spuren, aber die amerikanische Regierung behauptete, sie ließen sich von Saddam täuschen. Im Oktober 2002 schließlich autorisierte der Kongress 8 Präsident George W. Bush, die vom Irak ausgehende Bedrohung mit militärischen Mitteln zu beseitigen, sollte er dies als notwendig erachten. Wann immer man in diesen Wochen den Fernseher einschaltete, ging es um den Irak und ob es zum Krieg kommen würde.
    Im selben Monat 9 , aber weitgehend ohne öffentliche Reaktion, wurde der »Help America Vote Act« 10 verabschiedet, ein Gesetz zur Neugestaltung der Abläufe künftiger Wahlen. Entworfen auf der Grundlage der Erfahrungen mit der problematischen Präsidentenwahl 2000, las es sich auf den ersten Blick ganz vernünftig: Lochkartengestützte Wahlsysteme sollten abgeschafft, die Identifizierungspflicht für Wahlberechtigte bundesweit einheitlich geregelt und die Möglichkeit, dass ein Wähler eine provisorische Stimme abgeben konnte, wenn er irrtümlich nicht im Wählerverzeichnis stand, eingeführt werden.
    Wichtigster Punkt war jedoch, dass drei Milliarden Dollar bereitgestellt wurden, um neue Wahlcomputer anzuschaffen.
    Und zwar modernste Geräte mit Touchscreen-Steuerung.
    Vincent, der in ein größeres Apartment umgezogen war und sich ein neues Auto gekauft hatte, einfach weil er es sich jetzt leisten konnte, las diese Nachricht mit Unbehagen. Seine Angst, eines Tages aus heiterem Himmel verhaftet und zurück ins Oak Tree Detention Center gebracht zu werden, hatte inzwischen zwar deutlich nachgelassen, trotzdem beschäftigte ihn die

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