Ein König für Deutschland
Sache. Er stellte ein paar Recherchen an – nichts Tiefschürfendes, halt wassich per Internet so in Erfahrung bringen ließ – und stieß auf seltsame Dinge.
Es gab nur wenige Hersteller von Wahlcomputern. Unter diesen beherrschten zwei Firmen – Election Systems & Software (ES&S) und Diebold – den Markt: Achtzig Prozent aller Wählerstimmen in den USA würden bei der nächsten Präsidentenwahl mit Maschinen dieser beiden Hersteller gezählt werden.
Die Firma ES&S aus Omaha, Nebraska, war ein geradezu unheimlicher Gigant: Der international größte Produzent von Wahlmaschinen hatte weltweit über 170 000 Geräte im Einsatz, die jährlich in über dreitausend Wahlen benutzt wurden und im Schnitt achtzig Milliarden Wahlstimmen zählten 11 .
Dabei war ES&S eine Firma im Privatbesitz. Es gab keine Bundesbehörde, die irgendeine Art der Aufsicht darüber hatte, was dort getan und wie die Maschinen gebaut wurden.
Der Vorstandsvorsitzende von ES&S und der Vizepräsident von Diebold waren Brüder 12 .
Und der Vorstandsvorsitzende von Diebold war Mitglied der republikanischen Partei und hatte erkleckliche Beträge für die Kampagne zur Wiederwahl George W. Bushs gespendet 13 .
2 Im Einzelnen ging es folgendermaßen weiter: Am nächsten Tag verlor Gore New Mexico wieder; auch dort wurden Nachzählungen angesetzt. Oregon dagegen war ihm inzwischen sicher.
Am 11. November forderte das Team um Bush eine Bundesanordnung, die Auszählungen von Hand zu stoppen, wegen verschiedener verfassungsrechtlicher Bedenken.
Am 12. November kündigte Palm Beach County an, die Auszählungen von Hand, die ursprünglich nur für bestimmte Distrikte geplant gewesen waren, auf die Stimmzettel des gesamten Bezirks auszuweiten. Volusia County begann, über 184 000 Stimmzettel von Hand nachzuzählen.
Am 13. November erklärte Innenministerin Katherine Harris, sie werde den Termin, bis zu dem alle Nachzählungen abgeschlossen zu sein hatten – 14. November 2000 um 17 Uhr –, nicht verlängern. Daraufhin reichte Volusia County eine Klage dagegen ein; man verlangte, die Auszählung von Hand zu Ende bringen zu dürfen. Der Richter Donald Middlebrooks wies die Klage des Bush-Teams, die Handauszählungen zu untersagen, ab.
Am Abend entschied Broward County, die Handauszählungen einzustellen. Und am nächsten Morgen beschlossen die Verantwortlichen von Palm Beach, die Handauszählungen auszusetzen, bis geklärt war, ob sie das Recht hatten, damit weiterzumachen. In Miami-Dade jedoch fiel der einhellige Beschluss, drei Distrikte von Hand nachzuzählen, wie es die Anwälte Gores verlangt hatten.
Eine halbe Stunde vor Ablauf der Frist um 17 Uhr beschlossen die Verantwortlichen von Palm Beach, die Handauszählungen am nächsten Tag fortzusetzen, trotz eines zwischenzeitlichen Urteils des Richters Terry Lewis, dass der gesetzte Termin bindend sei und Ergebnisse danach zwar eingereicht, aber je nach den Umständen nicht berücksichtigt zu werden brauchten.
3 Die Bezirke setzten dessen ungeachtet ihre Nachzählungen fort, auch Broward County, die es sich inzwischen wieder anders überlegt hatten. Die Innenministerin reichte dagegen vor dem Florida Supreme Court Klage ein, die noch am selben Abend abgewiesen wurde. Daraufhin erklärte Harris, sie werde von den nach wie vor zählenden Bezirken einfach keine Ergebnisse mehr berücksichtigen.
Am 16. November appellierten Bushs Anwälte an den Bundesgerichtshof in Atlanta, die Nachzählungen von Hand zu stoppen, worauf Gores Anwälte eine Klage gegen diese Klage einreichten. Unterdessen entschied der Florida Supreme Court, dass der Bezirk Palm Beach mit seinen Handauszählungen fortfahren dürfe.
Am 17. November ergingen zwei Urteile von zwei verschiedenen Richtern: Das eine bestätigte, Innenministerin Harris habe das Recht, verspätet eingereichte Ergebnisse zu ignorieren, das andere untersagte ihr bis auf Weiteres, Aussagen darüber zu machen, welcher der beiden Präsidentschaftskandidaten Florida gewonnen habe. Miami-Dade beschloss unterdessen, die Handauszählung auf alle Bezirke auszuweiten. Und der US Appellationsgerichtshof wies die Klage des Bush-Teams ab, die händischen Nachzählungen verletzten die Verfassung.
Inzwischen war die Auszählung der Briefwahlstimmen abgeschlossen, für die der 17. November Termin gewesen war. Hierdurch vergrößerte sich Bushs Vorsprung auf 930 Stimmen.
4 In den folgenden Tagen war die Rede davon, dass hierbei 1000, nein, 4 700, nein, 14 000 Stimmzettel
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