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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sich zur Ruhe setzen«, unkte Claudio. »Wahrscheinlich hat sie gerade einen Kaufvertrag unterschrieben, der sie steinreich macht, und wir arbeiten demnächst für Redmond oder Armonk oder Schlimmere.« Seine Miene, die ohnehin nie die hellste war, verdüsterte sich noch mehr. »Falls wir überhaupt noch arbeiten.«
    Wie sich herausstellte, hatte sich Consuela schlicht und einfach verliebt.
    Wochenlang kursierten wilde Gerüchte. Niemand vermochte sich vorzustellen, wie ein Mann beschaffen sein musste, der das Herz der stolzen und auf ihre Unabhängigkeit bedachten Kubanerin zu erobern imstande war. Ein Macho? Ein Supermann?
    Der Mann, den Consuela eines Tages durch die Firma führte, war eine ausgemergelte Gestalt mit hagerem Gesicht, schwarzen, glänzenden, nach hinten gekämmten Haaren, durchdringendem Blick und langen, schmalen Händen. Der Anzug, den er trug, sah teuer aus, schlotterte ihm aber am Körper und war gerade einenTick zu modisch, als dass man von gutem Geschmack hätte sprechen können.
    »Zantini«, sagte er mit starkem Akzent, als er Vincent gegenüberstand, den Consuela als ihren Chefprogrammierer vorstellte. »Benito Zantini. Angenehm.«
    »Erfreut, Sie kennenzulernen«, erwiderte Vincent und schüttelte die dargebotene Hand.
    Die Zantini gar nicht mehr losließ. Er schüttelte immer weiter, während seine Augen groß und größer wurden. »Junger Mann«, flüsterte er schließlich voller Besorgnis, »was ist denn mit Ihrem Ohr passiert?«
    Vincent griff sich verdutzt ans rechte Ohr, dann ans linke. Beide fühlten sich genau so an, wie er es gewohnt war. »Wieso? Was soll damit sein?«
    Irgendetwas musste damit sein, denn inzwischen machte auch Consuela große Augen.
    Zantini ließ seine Hand los, fasste an Vincents rechtes Ohr. Im nächsten Moment spürte Vincent dort etwas Kaltes, Rundes … ein Hühnerei, das ihm Zantini gleich darauf mit erstaunter Miene vors Gesicht hielt. »Hier. Das ist doch nicht normal, oder?«
    Consuela konnte nicht mehr an sich halten, prustete auf einmal los vor Lachen. »Benito ist Zauberer, müssen Sie wissen!«
    »Illusionist«, korrigierte Zantini spitzlippig und steckte das Ei achtlos in die Tasche.
    ***
    Kurz darauf gab Zantini eine Vorstellung für die Belegschaft von SIT. Es war die einzige Zaubervorstellung, die Vincent je von ihm erleben sollte, doch sie beeindruckte ihn über alle Maßen.
    Es war der Abend vor dem Memorial Day , und sie hatten den Festsaal des Restaurants El Rancho, das Consuela bislang immer nur mit wichtigen Kunden aufgesucht hatte, für sich. Es gab Grillfleisch, so viel man wollte, jede Menge Salate und Gemüse auf mexikanische Art und natürlich die dazu passenden Getränke. Drei der jüngeren Sekretärinnen hatten sich verabredet, Huck –von dem es hieß, er habe noch nie etwas mit einer Frau (oder einem Mann) gehabt; sein Sexualleben beschränke sich auf das Aufstöbern kostenfrei zugänglicher Pornobilder im Internet – betrunken zu machen und dazu zu bringen, eine von ihnen zu küssen. Alvin und Steve wetteiferten, wer mehr Spareribs verdrücken würde; ihre Unterhaltung bestand irgendwann nur noch darin, dass sie einander Zahlen zuriefen wie »Zwanzig!« oder »Dreiundzwanzig!« oder mit den Gabeln fuchtelten und sich beschwerten: »Das Ding da zählt nur halb!«
    So hatte die Stimmung einen ersten Höhepunkt erreicht, als nach und nach das Besteck auf die Teller gelegt wurde und die Körper matt nach hinten sanken, obwohl das Buffet noch immer so aussah, als gelte es, die Speisung der fünftausend durchzuziehen – eine Belegschaftsstärke, von der SIT mehrere Größenordnungen entfernt war und wohl auch immer bleiben würde.
    Da ertönte aus verborgenen Lautsprechern ein Fanfarenstoß, das Licht im Saal ging aus, zwei einzelne Scheinwerfer beleuchteten den Vorhang und, als dieser beiseite glitt, den Mann auf der Bühne dahinter: Benito Zantini in Frack und Zylinder, der sich in den spontan aufbrandenden Applaus hinein verbeugte.
    Es war eine grandiose Schau. Zantini ließ Bälle auftauchen, sich zwischen den Fingern seiner Hand vervielfältigen und wieder verschwinden. Er durchschnitt Schnüre, die nachher wieder heil waren, verbrannte – unter kollektivem Aufstöhnen – Geldscheine, um sie anschließend unversehrt wieder auftauchen zu lassen, und goss Wein in eine zusammengefaltete Zeitung, die am Schluss nicht einmal nass war. Er holte Tücher aus dem Nichts hervor, Tauben aus seinem leeren Zylinder und Blumensträuße aus

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