Ein königlicher Skandal
nicht alle Weinstöcke im Umkreis von fünf Kilometern verbrannt werden müssen. Unser Mittel wurde zwar noch nicht ausreichend erprobt. Aber vielleicht kann ich die Verantwortlichen überzeugen, es uns zu überlassen. Dann können wir das Mittel auf San Rinaldi testen.“
„Ich habe mir bereits die Namen und Telefonnummern der zuständigen Leute beschafft“, erklärte Max. „Sie werden das Mittel freigeben.“
Das war typisch. Max setzte immer seinen Willen durch. Deshalb erreichte er allerdings auch oft mehr als andere.
Schon vor Jahren hatte er Weingärten im Valle di Cattina geerbt. Dort arbeiteten die Winzer noch immer nach den überlieferten Methoden. Die alten Römer hatten an den sonnigen Hängen die ersten Weinstöcke gepflanzt. Weil die meisten Weinflaschen auf der Insel vertrieben wurden, gab es bis vor wenigen Jahren kaum Exporte. Dementsprechend bescheiden hatten die Weinbauern gelebt.
Sämtliche Verbesserungen waren Max zu verdanken. Mit Giovanni Carinis Hilfe und angetrieben von einem ungewöhnlich ausgeprägten Pflichtgefühl, hatte Max sich für Modernisierungen eingesetzt. Dank seines Charismas, seiner Autorität, aber auch mit Charme und Intelligenz war es ihm gelungen, die Winzer zur Gründung einer Genossenschaft zu bewegen. Heute verbanden sie bei der Weinherstellung wertvolle Traditionen mit moderner Technik.
Das brachte erstaunliche Ergebnisse. Der Porto Castellante Blanco wurde auf der ganzen Welt zu Spitzenpreisen verkauft. Die Verkaufserfolge sicherten die Existenz der Winzer. Als Max ihnen seine Ideen präsentiert hatte, wagten sie zunächst nicht davon überhaupt zu träumen. Und nun könnte ihnen durch den Mehltau alles wieder genommen werden. Für Rosa stand außer Frage: Sie würde alles tun, um ihren Landsleuten zu helfen.
„Meinst du nicht“, fragte sie in möglichst neutralem Tonfall, „dass es besser wäre, wenn ich mich an meine Vorgesetzten wende? Schließlich ist das mein Spezialgebiet, und außerdem kennen sie mich, dich nicht.“
„Und bestimmt schätzen sie dich“, erwiderte er. „Aber ich habe genug Macht und Einfluss und bin bereit, beides einzusetzen. Sieh mal, die Zukunft der Weingärten von San Rinaldi und somit mehr als tausend Arbeitsplätze hängen davon ab. Die Seuche muss eingedämmt werden. Der Wein wird gerade durch das Alter der Weinstöcke so besonders. Wenn wir die Pflanzen vernichten und durch neue ersetzen, erreichen wir dieselbe Weinqualität erst in Jahrzehnten. Schließlich müssten wir zehn Jahre warten, bis wir überhaupt an eine Neuanpflanzung denken können.“
Rosa kannte den entschlossenen Ton, den Max jetzt anschlug. Er hatte sich entschieden. Ihr war auch klar, was er von ihr hielt. Er nahm sie nicht ernst. Für ihn war und blieb seine Cousine das alberne Mädchen, dessen Schwärmerei ihn vor fünf Jahren in Verlegenheit gebracht hatte.
In keiner Weise war Max damals auf ihre Annäherungsversuche eingegangen. Darauf angesprochen hatte er sie auch nie. Allerdings war er seitdem weniger freundlich. Er hielt sich bewusst zurück und gab sich verschlossen. Zwischen ihnen war eine unsichtbare Wand entstanden.
Sie hatte nicht vergessen, wie er sich sehr schnell eine sagenhaft schöne und kluge Freundin zugelegt und ihr auch noch gezielt vorgeführt hatte. Sogar noch heute kränkte es Rosa. „Tja“, meinte sie kühl, „dann kann ich nichts weiter machen, als dir viel Glück zu wünschen.“
„Aber ich will dich hier haben“, entgegnete er hastig. „Du stammst von der Insel, die Weinbauern kennen dich, und du sprichst ihre Sprache. Sie werden dir vertrauen und auf dich hören.“
„Okay, ich tue, was ich kann“, entschied sie. Bemüht freundlich fügte sie hinzu: „Vielleicht reichen deine Macht und dein Einfluss nicht aus, damit das Sprühmittel freigegeben wird. Meine Vorgesetzten werden wohl so oder so verlangen, dass ich den Einsatz überwache und ihnen laufend Bericht erstatte.“
„Danke, Cousinchen. Ich zähle auf dich. Die Weinindustrie von San Rinaldi braucht im Moment jede nur erdenkliche Hilfe.“
Am liebsten hätte Rosa das Telefon an die Wand geschleudert. Cousinchen! Max nahm sie nicht für voll. Außerdem erinnerte er sie daran, dass Blutsverwandte nach dem Gesetz der Familie Fierezza nicht heiraten durften. Das konnte er sich sparen. Rosa war inzwischen erwachsen. Dass sie irgendwann mal für ihren Cousin geschwärmt hatte, bedeutete heute rein gar nichts.
Betont höflich verabschiedete sie sich von Max.
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