Ein königlicher Verführer
und trat wieder zurück. „Ich habe eigentlich vor gar nichts Angst.“
Er sah sie voller Neugier an. „Jeder hat vor irgendetwas Angst.“
Sie dachte einen Moment nach und sagte dann: „Tausendfüßler.“
„Tausendfüßler?“, fragte er belustigt.
„All diese Beine.“ Sie erschauderte. „Das ist wirklich gruselig.“
„Dann brauchen Sie sich vor nichts zu fürchten“, bemerkte er, während er sie wieder zum Schloss führte. „Hier gibt es nicht viele Tausendfüßler.“
Aber es gab noch eine andere Sache, vor der sie Angst hatte, mehr sogar als vor einer ganzen Horde Tausendfüßler.
Sie hatte Angst davor, sich in Prinz Christian zu verlieben und an gebrochenem Herzen zu leiden, wie schon so viele Male zuvor.
3. KAPITEL
Melissa und Chris schlenderten zum Schloss zurück. Sie sprachen über das Wetter und darüber, was für Blumen und Feldfrüchte auf der Insel wuchsen. Und er genoss ihre anregende und angenehme Gesellschaft. Sie war an allem aufrichtig interessiert und lauschte aufmerksam seinen Erklärungen. Doch als sie am Irrgarten vorbeikamen, leuchteten ihre Augen vor Aufregung und sie blieb neben dem Eingang stehen. „Er ist noch viel höher, als ich dachte.“
„Ungefähr drei Meter“, entgegnete Chris. „Ein ganzes Team von Gärtnern braucht einen Tag, um ihn in Form zu bringen.“
„Das lohnt sich auf jeden Fall.“
„Er ist einige hundert Jahre alt.“
Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust. „Können wir reingehen?“
„Soll ich Sie durchführen?“
„O nein, ich möchte es selbst versuchen.“
Chris schaute auf seine Uhr. „Leider haben wir jetzt keine Zeit. Meine Eltern erwarten uns vor dem Abendessen zu einem Drink.“
„Wie lange dauert das denn normalerweise?“
„Was? Die Drinks oder das Abendessen?“
Sie lachte. „Nein, der Irrgarten.“
„Wenn Sie den Weg wissen, nicht lange. Vielleicht zehn Minuten. Ein Anfänger kann sich aber leicht verirren, ich habe Leute schon Stunden in dem Garten herumlaufen sehen.“
Sie lächelte ihn übermutig an. „Ich wette, dass ich ohne Probleme durchfinde.“
„Das ist schwieriger, als Sie denken.“
„Ich habe einen sehr guten Orientierungssinn. Und ich liebe die Herausforderung.“
Er bezweifelte nicht, dass sie mutig war, und das mochte er an ihr. Seiner Meinung konnte nur eine starke und unabhängige Frau mit einer Vernunftehe zurechtkommen. Melissa schien diese Voraussetzung zu erfüllen. Er hoffte nur, dass sie das genauso sah.
„Ich glaube trotzdem, wir sollten es sicherheitshalber ein anderes Mal versuchen.“
Sie war sichtlich enttäuscht, bestand aber nicht weiter darauf. Pflicht war nun einmal Pflicht, damit schien sie sich abzufinden. Ein weiterer Pluspunkt, wie er fand.
„Dann morgen?“, wollte sie wissen.
„Natürlich.“
Sie blinzelte ihn unter ihren langen, dunklen Wimpern hervor an, und ein listiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Versprochen?“
„Ich stehe zu meinem Wort“, versprach er.
„Sie wissen bestimmt, dass man behauptet, es gibt keine Ritterlichkeit mehr.“
„Aber bestimmt noch auf Morgan Isle, oder?“ Er sah ihr tief in die Augen und glaubte für einen winzigen Moment, Kummer in ihnen aufflackern zu sehen. Entweder hatte er sich das nur eingebildet, oder sie war gar nicht so stark, wie sie die Leute gern glauben ließ.
„Sind Sie jetzt bereit für die Drinks mit meinen Eltern?“, erkundigte er sich.
„Eigentlich schon.“ Sie holte tief Luft. „Gibt es irgendetwas, was ich vorher wissen sollte? Es ist wichtig, dass ich einen guten Eindruck hinterlasse.“
„Seien Sie einfach Sie selbst, und ich bin mir sicher, dass meine Eltern Sie genauso bezaubernd und interessant finden wie ich.“
Melissas Lächeln verriet ihm, wie sehr ihr seine Antwort gefiel. „Ich mag Sie, Eure Hoheit“, gestand sie.
Er erwiderte das Lächeln. „Ich würde sagen, das trifft sich gut.“
„Warum?“
„Weil ich Sie ebenfalls mag, Prinzessin.“
Und es war genauso, wie Melissa befürchtet hatte: Drinks mit dem Königspaar bedeutete, dass sie nicht nur von Chris Eltern, sondern auch von seinem Bruder und den Zwillingsschwestern unter die Lupe genommen wurde. Anscheinend wollten sie alles über sie, ihre Halbgeschwister und Morgan Isle wissen. Sie versuchte, so ehrlich wie möglich zu antworten, ohne zu viel preiszugeben oder mit Informationen hinter dem Berg zu halten. Allerdings war sie erst so kurze Zeit mit ihrer neuen Familie zusammen, dass sie auf manche Fragen
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