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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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nach meiner Meinung das Gehirn einer Eule nicht zu sehr. Bei einigermaßen gutem Willen konnte die ganze Angelegenheit in zehn Minuten erledigt sein. Unsere Freundin saß auf ihrem Zweig und betrachtete uns mit großäugigem Entsetzen. Unterdessen ging ich hinter meine Kamera in Stellung. Gerade in dem Augenblick, in dem ich auf den Auslöser drückte, zwinkerte sie einmal rasch mit den Lidern und drehte uns und der Kamera dann entschlossen den Rücken, als habe sie tiefe Abneigung gegen uns ergriffen. Ich hielt mir vor, daß Geduld das wichtigste Requisit des Tierfotografen ist, wischte mir den Schweiß von der Stirn, ging zu Woody, drehte sie herum und wandte mich zur Kamera. Als ich dort angelangt war, hatte Woody uns bereits wieder den Rücken gekehrt. Ich nahm an, das Licht sei vielleicht zu grell. Darum schickte ich einige meiner Leute los, um Zweige zu holen. Ich ordnete sie dann so an, daß Woody nicht direkt von den Sonnenstrahlen getroffen wurde. Trotzdem drehte sie uns fortgesetzt den Rücken zu. Wollte ich die Eule filmen, blieb mir also nur eins übrig, ich mußte die ganze Szene umkehren. Mit erheblichen Anstrengungen bewegten wir etwa eine Tonne Unterholz und ordneten es so an, daß Woody in die von ihr bevorzugte Richtung blickte. Während wir schwitzten und uns abmühten, saß Woody da und betrachtete uns erstaunt mit ihren großen Augen. Sie erlaubte mir großzügig, die Kamera in die richtige Stellung zu bringen — das war nicht so einfach, weil ich jetzt Gegenlicht hatte —, doch dann drehte sie mir gelassen den Rücken zu. Am liebsten hätte ich sie erwürgt. Verdächtige schwarze Wolken zogen herauf, die bald die Sonne verdunkeln würden; so war weiteres Fotografieren unmöglich. Ich packte darum meine Kamera zusammen. Mit Mordgelüsten ging ich zu dem Ast, um meinen Star einzupacken. Als ich näher kam, wandte Woody sich um, klickte vergnügt mit dem Schnabel, vollführte einen rasenden Hula-Hula und breitete dann die Schwingen aus, um sich vor mir mit dem gemacht-schüchternen Ausdruck eines Schauspielers beim siebzehnten Vorhang zu verbeugen.
    Natürlich ärgerten uns nicht alle unsere Filmstars. Der beste Streifen gelang mir tatsächlich mit einem Minimum an Anstrengung und in Rekordzeit, Wenn man ihn jetzt sieht, meint man, es müsse viel schwieriger gewesen sein, die Vorstellung zu inszenieren, als eine Eule zu veranlassen, die Flügel auszubreiten. Ich brauchte einige Aufnahmen von einer Eierschlange, die ein Nest ausraubt. Die Eierschlangen sind etwa 60 Zentimeter lang und sehr dünn. Sie haben eine rosa-braune Haut mit dunkleren Sprenkeln und hervorstehende, silbernschimmernde Augen mit vertikalen Pupillen wie Katzen. Das Eigenartige an ihnen ist, daß etwa 8 Zentimeter hinter dem Rachen die Wirbel hervortreten und wie Stalaktiten herunterhängen — innerlich natürlich. Wenn das Reptil ein Ei verschluckt, gleitet es bis unmittelbar unter diese Wirbel. Dann zieht die Schlange die Muskeln zusammen, und die Wirbelspitzen brechen das Ei auf. Dotter und Eiweiß werden aufgenommen, die zerbrochene Schale wird als plattgedrücktes Kügelchen ausgeschieden. Der ganze Prozeß ist außergewöhnlich und — soweit ich weiß — bisher nicht im Film festgehalten.
    Wir hatten damals sechs Eierschlangen und alle glichen einander zu meiner Freude in Größe und Färbung. Die Kinder des Dorfes trieben einen schwunghaften Handel mit den Eiern der Webervögel, mit denen wir die Schlangen fütterten, und die sie in großen Mengen fraßen. Tatsächlich genügte es, ein Ei in den Käfig zu legen, um einen verschlafenen Haufen von Schlangen in ein ringelndes Bündel zu verwandeln, wobei jede Schlange versuchte, zuerst an die Beute zu gelangen. Wenn sie sich auch im Käfig vorbildlich zeigten, war ich nach meinen Erfahrungen mit Woody und mit dem Zwergmoschustier etwas skeptisch. Ich erfand also mit einem blühenden Busch, in dessen Zweigen ein Nest lag, eine passende Szene. In das Nest legte ich ein Dutzend blaue Eier. Dann bekamen die Schlangen drei Tage lang keine Eier, damit sie hungrig wurden. Das schadet ihnen nicht; alle Schlangen vertragen lange Fastenzeiten, einige größere Boa-Arten sogar Monate und Jahre. Als ich annehmen konnte, meine Stars wären hungrig genug, begann ich mit der Arbeit.
    Der Käfig mit den Schlangen wurde auf die Bühne gebracht. Die leuchtend blauen Eier lagen im Nest, über dem ich eins der Reptilien in die Zweige setzte. Ich löste die Kamera aus und wartete. Die

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