Ein Koffer voller Tiere
Kameraleuten mindestens zwei Jahre in die Tropen zu schicken, und die Tiere in ihrer natürlichen Umwelt zu filmen. Unglücklicherweise ist diese Methode sehr kostspielig und deshalb undurchführbar, es sei denn, man hat die Geldmittel Hollywoods hinter sich.
Für Menschen wie mich mit weniger Zeit und Geld gibt es nur den Weg, die Tiere unter geschaffenen Bedingungen zu filmen. Im Urwald sind die Schwierigkeiten so groß, daß selbst der mutigste Fotograf kapituliert. Zunächst bekommt man — wie schon gesagt — kaum wilde Tiere zu Gesicht, und wenn schon einmal eins auftaucht, dann nur für einen kurzen Augenblick, bis es hastig im Unterholz verschwindet. Es wäre wirklich ein Wunder, sollte man einmal zur rechten Zeit, am rechten Platz, die Kamera bereit und richtig eingestellt, das Tier vor der Nase und obendrein in passender Haltung und fotogener Beschäftigung finden. Darum muß man die Tiere fangen und an die Gefangenschaft gewöhnen. Haben sie die Furcht vor dem Menschen verloren, dann kann man mit der Arbeit beginnen. In einem großen, mit Netzen abgesicherten »Raum« baut man eine Szene auf, die der natürlichen Umwelt des Tieres so weit wie möglich gleicht und die — vom fotografischen Standpunkt aus — passend sein muß. Das heißt, sie darf nicht zu viele Verstecke haben, in die ein scheues Wesen schlüpfen kann; das Unterholz darf nicht zu dicht sein, sonst gibt das unglückliche Schattenflecken und so weiter. Dann macht man seinen »Helden« mit der Szene bekannt und gibt ihm genügend Zeit, sich daran zu gewöhnen. Das kann eine Stunde, aber auch mehrere Tage dauern.
Voraussetzung dafür ist natürlich, daß man die Gewohnheiten des Tieres kennt, und daß man weiß, wie es sich unter bestimmten Umständen verhalten wird. Eine hungrige Beutelratte zum Beispiel wird in einer ihr gemäßen Umgebung mit einer üppigen Auswahl von Waldfrüchten auf dem Boden sofort damit beginnen, so viel wie möglich davon in ihre riesigen Backentaschen zu stopfen und am Ende aussehen, als litte sie an Ziegenpeter. Wenn du mehr zeigen willst als Bilder von einem Tier, das wahllos zwischen Büschen und Gras herumwandert, mußt du für Umstände sorgen, in denen das Tier typische Angewohnheiten oder interessante Handlungen zeigt. Aber auch dann, wenn alles nach Wunsch vorbereitet ist, brauchst du Geduld und Glück. Nicht einmal einem zahmen Tier kannst du wie einem Schauspieler sagen, wie es sich bewegen soll. Nicht selten wird das Tier, das wochenlang die gleiche Vorstellung gegeben hat, vor der Kamera Lampenfieber bekommen und sich weigern, in Aktion zu treten. Hat man nach stundenlangem Mühen in der heißen, tropischen Sonne alles vorbereitet und wird dann so enttäuscht, möchte man am liebsten Selbstmord begehen.
Ein Musterbeispiel für Schwierigkeiten bei der Tierfotografie bot das Zwergmoschustier. Diese reizenden kleinen Antilopen sind so groß wie Foxterrier. Sie haben ein dichtes, walnußbraunes Fell, hübsch gezeichnet mit weißen Streifen und Flecken. Die kleinen, zierlichen, schön gemusterten Tiere sind außergewöhnlich fotogen. Vom Zwergmoschustier gibt es viel Interessantes zu berichten, zum Beispiel das amphibische Leben, das es in der Freiheit führt. Es watet und schwimmt meistens in den Waldbächen und ist sogar in der Lage, ziemlich lange unter Wasser zu schwimmen. Seltsam ist auch die Vorliebe der Zwergmoschustiere für Schnecken und Käfer. Diese Ernährungsweise ist für Antilopen zumindest ungewöhnlich. Schließlich sind die Tiere ganz besonders friedlich und zahm. Ich hatte einmal ein Zwergmoschustier, das eine Stunde nach dem Fang von mir Futter annahm und sich die Ohren kraulen ließ. Es tat, als sei es in der Gefangenschaft geboren.
Auch unser Zwergmoschustier, eine reizende junge Dame, bildete keine Ausnahme. Sie war ungewöhnlich zahm, liebte es, sich Kopf und Bauch streicheln zu lassen, und verschlang mit größtem Genuß jede Menge an Schnecken und Käfern, die man ihr brachte. Außerdem suchte sie zu jeder Zeit in ihrem Trinknapf zu baden, in den sie mit großer Anstrengung gerade eben das Hinterteil hineinzwängen konnte.
Um also ihre Vorliebe für Fleisch und Wasser zu demonstrieren, baute ich eine Bühne an einem kleinen Fluß auf. Der Hintergrund war sorgfältig gewählt, um die anpassungsfähige Schutzfärbung so gut wie möglich zu zeigen. An einem wolkenlosen Morgen, als die Sonne günstig am Himmel stand, trugen wir den Käfig auf unsere Bühne und machten alles
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