Ein Koffer voller Tiere
Schlange lag schlapp auf den Zweigen und schien nach der kühlen Dämmerung des Käfigs etwas benommen. Dann züngelte sie, wandte aufmerksam den Kopf hin und her und glitt schließlich mit eleganter Geschmeidigkeit durch die Zweige auf das Nest zu. Langsam schlängelte sie sich näher heran. Als sie den Rand des Nestes erreicht hatte, spähte sie hinein und erblickte mit ihren scharfen, silbrigen Augen die Eier. Die Zunge schoß hervor, und als ob sie damit die Eier beröche, beschnüffelte sie sie behutsam wie ein Hund ein Paket Hundekuchen. Dann schob sie sich noch etwas mehr in das Nest hinein, wandte den Kopf zur Seite und verschlang ein Ei. Schlangen können die Kinnladen aushaken und so eine Beute passieren lassen, die auf den ersten Blick viel zu groß erscheint. Der Eierfresser bildete keine Ausnahme. Er hakte jetzt vorsichtig die Kinnladen aus, die Haut des Schlundes streckte sich, bis jede Schuppe einzeln hervortrat und das Blau des Eies durch die feine, angespannte Haut hindurchschimmerte, als es sich langsam weiterschob. Als das Ei etwa 3 Zentimeter geglitten war, hielt das Tier einen Augenblick nachdenklich an und schwang sich aus dem Nest heraus ins Geäst. Dabei rieb es die Schwellung in seinem Leib, die durch das Ei entstanden war, an den Zweigen, so daß es weiter und weiter geschoben wurde.
Ermutigt durch diesen Erfolg, beförderten wir die Schlange wieder in ihren Behälter, damit sie ihre Mahlzeit in Ruhe verdaue. Ich veränderte die Stellung der Kamera und setzte ein größeres Objektiv ein, legte ein neues Ei ins Nest und nahm dann eine zweite Schlange heraus. Jetzt kam uns zustatten, daß alle Schlangen die gleiche Größe und Farbe hatten. Da die erste ihr Ei verdauen mußte, bevor sie wieder Hunger bekam, konnten wir sie für die Nahaufnahmen nicht verwenden. Die neue jedoch, die der ersten vollkommen glich, war hungrig wie ein Wolf. Ohne Mühe bekam ich meine Nahaufnahmen, wie die Schlange rasch den Ast hinunterglitt und ein Ei nahm. Mit zwei weiteren Schlangen wiederholte ich das Schauspiel. Am Ende schnitten wir die vier einzelnen Folgen und niemand erriet, daß in dem Film vier verschiedene Schlangen auftraten.
Alle Bafuter, der Fon eingeschlossen, waren von unserer Filmarbeit fasziniert, denn vor einiger Zeit hatten sie den ersten Film ihres Lebens gesehen. Ein Cinemobil führte in Bafut den Farbfilm von der Krönung der englischen Königin vor, der sie sehr begeisterte. Noch während unseres Aufenthalts war dieses Ereignis, das länger als anderthalb Jahre zurücklag, der Gegenstand vieler Gespräche. Ich nahm darum an, es würde den Fon und seine Ratgeber interessieren, mehr über das Filmen zu erfahren. So lud ich sie ein, uns an einem Morgen beim Filmen zuzusehen. Sie nahmen begeistert an. »Was wirst du filmen?« fragte Jacquie.
»Solange es etwas Harmloses ist, ist es eigentlich ganz gleich«, meinte ich.
»Warum soll es harmlos sein?« fragte Jacquie.
»Ich möchte kein Risiko eingehen, denn ich glaube, ich würde nicht länger Persona grata bleiben, wenn der Fon von irgendeinem Ungeheuer gebissen wird.«
»Du liebe Güte, das wäre das Letzte«, mischte Bob sich ein, »was willst du also filmen?«
»Ich brauche ein paar Aufnahmen von den Beutelratten. Wir können sie also bei der Gelegenheit machen. Die Tiere tun keiner Fliege etwas.«
Am nächsten Morgen bereiteten wir alles vor. Die Szenerie stellte ein Stückchen Waldboden dar, den ich auf einem Dexion-Gestell aufgebaut hatte. Aus einer Spezial-Nylon-Plane hatten wir einen Baldachin gemacht, unter dem der Fon und sein Hofstaat Platz nehmen sollten. Dann benachrichtigten wir den Fon, daß wir ihn erwarteten.
Es war ein köstliches Schauspiel, wie er und seine Ratgeber über den großen Hof auf uns zukamen. Voran der Fon in kleidsamer blau-weißer Robe. Neben ihm trottete seine Lieblingsfrau und schützte ihn vor der Sonne mit einem riesigen orangeroten Schirm; es folgten die Ratgeber in ihren fließenden Gewändern von grüner, roter, orangegelber, scharlachroter, weißer und gelber Farbe. Um diese Phalanx herum schoben und drückten sich ungefähr vierzig Kinder des Fon wie kleine schwarze Käfer um einen großen, farbenprächtigen Schmetterling. Langsam zog die Prozession um das Gästehaus herum zu unserem improvisierten Studio. »Morgen, mein Freund, wir sind gekommen, dein Kino zu sehen«, rief der Fon lachend.
»Willkommen, mein Freund«, entgegnete ich, »wollen wir erst ein Glas zusammen trinken?«
»Wah!
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