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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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räumte seinen Schreibtisch auf, blickte auf seine Armbanduhr und sah, daß er sich beeilen mußte, wenn er pünktlich zum Treffpunkt kommen wollte. Seine innere Unruhe war noch gewachsen, als er vor dem unscheinbaren, verwahrlosten Haus in seinen kleinen Fiat stieg und nach Rom hineinfuhr. Er fuhr unkonzentriert, verursachte dreimal fast einen Unfall, ertrug das Hupkonzert seiner Verkehrsgegner und die unmißverständlichen Handzeichen an die Stirn, suchte dann in der Nähe der Piazza Campo dei Fiori eine Parklücke und quetschte den kleinen Wagen halb auf den Gehsteig. Um die Polizei nicht in Verlegenheit zu bringen, stellte er in das Frontfenster ein Schild des vatikanischen Pressedienstes. Das war zwar nur ein halbes Alibi, aber mancher brave Carabiniere scheute sich doch, von einem Vertreter des Papstes ein Bußgeld zu verlangen.
    Langsam schlenderte er dann zum Campo dei Fiori und schaute sich um. Sein unbekannter Anrufer war schon da. Er sah ihn neben einem Zeitungskiosk stehen. Im neutralen schwarzen Anzug eines Geistlichen, weißhaarig, mittelgroß und hager. Ein asketisches Gesicht, wie man es oft auf mittelalterlichen Bildern von Mönchen sieht. Er las in der Zeitung ›Il Messaggero‹ – ein harmloser Müßiggänger im geistlichen Rock.
    Pater Olrik überquerte die Piazza und wunderte sich nicht, daß er trotz Zeitungslektüre längst gesehen worden war. Der Bruder in Christo faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Rocktasche.
    »Das gefällt mir«, sagte er freundlich, als Olrik neben ihm stand.»Sie sind pünktlich. Das ist heute selten, glauben Sie mir. Es gibt Begriffe, die im modernen Sprachgebrauch zu Reizworten wurden. Pünktlichkeit gehört dazu ebenso wie Pflichterfüllung, Charakter und Verantwortungsbewußtsein. Seien Sie willkommen, Pater Stephanus. Ich bin Giovanni Battista.«
    Wie hatte der Prälat gesagt: Wenn er Ihnen seinen Namen nennt, ist das schon eine Auszeichnung.
    »Wie darf ich Sie anreden, Signor Battista?« fragte Olrik zurückhaltend.
    »Zwischen uns soll ein offenes Wort sein, Pater. Sagen Sie Monsignore.« Battista fuhr mit dem rechten Zeigefinger in seinen steifen weißen Kragen. Es war schwülwarm, und er schwitzte. »Mir ist klar, daß Sie bis zum Gaumen voller Fragen stecken und fast daran ersticken.«
    »Wer könnte mir das übelnehmen, Monsignore?«
    »Wir hätten das einfacher haben können, indem ich Sie in mein Haus bestellt hätte. Aber – so unglaublich das klingt – auch im Vatikan hat man Wände mit einmontierten Ohren. Natürlich bildlich gemeint. Aber Sie kennen ja den Fall, daß in der nächsten Umgebung von Papst Paul VI. sogar ein Bischof im Dienste Moskaus stand. Der Kreml wußte genau, was im Vatikan geschah. Seitdem bin ich vorsichtig. Schließlich heiße ich ja auch wie Paul VI. Giovanni Battista.«
    Das sollte ein Witz sein. Pater Olrik verzog höflich den Mund zu einem verhaltenen Grinsen. Moskau, dachte er dabei. Kreml. Spionage. Der Umkreis des Geheimnisses begann sich ein wenig zu lichten. Aber das kann nicht sein, dachte er so schnell, wie es die Gesprächspause zuließ. Im Vatikan gibt es keinen Geheimdienst im herkömmlichen, politischen Sinn.
    »Ich schlage vor«, sagte Monsignore Battista und blickte über die Piazza, »daß wir zur Villa Borghese fahren und uns dort in den Gärten eine schattige Bank suchen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können. Wir werden nebeneinander in unseren Brevieren lesen und dabei alles durchsprechen. Ich fahre voraus, Sie folgen mir in zehn Minuten, und wir sehen uns am Haupteingang wieder. Dort begrüßen wir uns, als träfen wir uns zufällig.«
    Eine halbe Stunde später – der römische Straßenverkehr konnte auch zarte Gemüter zur Raserei bringen – trafen sie sich, wie verabredet, vor der Villa Borghese, spielten die Überraschten und wanderten dann durch die wohl schönste Parkanlage der Welt bis zu einer Bank, die in der Nähe einer Grotte zwischen Büschen und blühenden Sträuchern stand.
    »Hier!« sagte Battista sachverständig. »Das ist der richtige Platz für zwei geistliche Herren.« Er lachte etwas trocken, setzte sich und holte sein Brevier aus der Tasche. »Damit Sie nicht vor Neugier platzen, Pater Stephanus, denn ich sehe Ihnen den Überdruck der Fragen an: Wir haben für Sie eine Aufgabe ausersehen, die alles, was Phantasie zu konstruieren vermag, übertrifft. Die Wirklichkeit ist weitaus unbegreiflicher. – Nun setzen Sie sich doch, Pater!«
    »Wer sind Sie, Monsignore,

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