Ein Kuss unter dem Mistelzweig
hatte sie jedoch nicht mehr viel dort unternommen, und sie besaß ohnehin nur eine Handvoll Freunde. Doch Laurie gehörte dazu. Mit ihrem glatten, dunklen Bobschnitt und den Smokey Eyes sah sie auf ihrem Profilfoto beinahe wie ein Model aus.
Laurie führte ein glamouröses Leben, hatte eine erfolgreiche Karriere vorzuweisen und besaß unglaublich schöne Kleider. Das hatte Rachel auf den Fotos gesehen – Hochglanzbilder, die am Rande von Laufstegen und bei Partys während der Modewochen in London und Paris entstanden waren. Rachel war keinesfalls neidisch, sondern sehr stolz auf ihre Freundin. Lauries Leben? Rachel strich mit der Hand über ihre widerspenstige blonde Mähne und lächelte – sie hätte schon mal gar nicht das geeignete Haar dafür.
Rachel klickte das Feld an, um ihrer Freundin eine Nachricht zu schicken.
Hi Laurie,
wie geht’s dir? Es ist schon wieder eine Ewigkeit her, ich weiß.
Ich hoffe, dir geht es gut, Süße. Tut mir leid, dass ich gleich so mit der Tür ins Haus fallen muss, aber ich schreibe dir, um dich um einen Gefallen zu bitten – um einen recht großen, ehrlich gesagt. Bin ein bisschen verzweifelt!
Meine Schwiegermutter Bea ist krank und in eine Spezialklinik in London überwiesen worden. Besteht die Möglichkeit, dass die Kinder und ich zu dir kommen und von nächster Woche an, genauer gesagt ab dem 29. November, vierzehn Tage lang bei dir bleiben können?
Rachel erinnerte sich mit Freude an das Geschenk, das Laurie ihr zum letzten Geburtstag geschickt hatte – ein schwarzer Ledergürtel mit einer bronzefarbenen Schnalle in Schwalbenform. Erst Milly hatte die Marke – Seamless – entdeckt und erklärt, dass Laurie ihn selbst entworfen haben musste. Rachel besaß zwar nicht viele Kleidungsstücke, die dazu passten, doch der Gürtel nahm einen Ehrenplatz in ihrem Schrank ein.
Sie hatte den Eindruck, dass es ihrer alten Schulfreundin mittlerweile ziemlich gut ging. Obwohl sie deren Wohnung in London noch nie gesehen hatte, stellte Rachel sie sich elegant und geräumig vor. Sie befand sich garantiert in einem der schicken Viertel, in die Laurie immer schon ziehen wollte – vielleicht in Primrose Hill.
Das letzte Mal hatte Rachel Laurie vor einem Jahr bei der Hochzeit ihrer gemeinsamen Freundin Jane gesehen. Vor der Hochzeit hatte Rachel das einzige schicke Abendkleid genommen, in das sie noch hineinpasste – ein geblümtes Kleid im Empire-Stil. Es war an genau den falschen Stellen ein wenig eng, das wusste sie, denn ihre schlanke Taille hatte sich nach Zaks Geburt für immer verabschiedet. Laurie hatte ein scharlachrotes One-Shoulder-Kleid getragen und dieses mit schweren, altgoldfarbenen Armreifen kombiniert, die auf ihrer olivfarbenen Haut glitzerten. Das dunkle Haar war perfekt frisiert gewesen. Als sie einander einen Begrüßungskuss gegeben hatten, war Rachel von einer Duftwolke von Lauries angenehmem, teurem Parfum umhüllt worden.
Laurie besaß doch sicherlich ein paar Gästezimmer, oder? Sie lebte allein und würde sich bestimmt über ein bisschen Gesellschaft freuen. Rachel holte tief Luft und schickte die Nachricht hinaus in den Cyberspace. Danach stand sie auf, um sich einen Kakao zu kochen, den sie mit hinauf ins Bett nehmen wollte; der würde ihr dabei helfen, leichter einzuschlafen.
Die Milch kochte. Das leise Blubbern war das einzige Geräusch in dem sonst mucksmäuschenstillen Cottage. Schnell rührte sie in ihrer Tasse die Milch in das Kakaopulver und kehrte dann zum Laptop zurück, um ihn auszuschalten.
Gerade, als sie das Internetfenster schließen wollte, zeigte ein kleines rotes Kästchen an, dass eine neue Nachricht eingegangen war. Sie klickte das Kästchen an – sie war nicht sonderlich überrascht, da Laurie alles immer recht zügig erledigte.
Rachel, hey!
Schön, von dir zu hören! Ich hatte schon befürchtet, du seist von der Ortsgruppe des Landfrauenverbandes gekidnappt worden.
Rachel rutschte unwohl auf ihrem Sitz herum. Sie war gern Mitglied bei den Landfrauen, und auch einige ihrer besten Freundinnen aus Skipley waren Mitglied. Es war dort nicht mal halb so piefig und bieder, wie alle Welt immer annahm.
Jedenfalls: Wenn sie dich wie bei den Calender Girls zwingen sollten, dich für einen Kalender auszuziehen, dann hoffe ich inständig, dass sie dir wenigstens zwei große Cupcakes geben, die wirst du brauchen (du Glückliche!).
Rachel ließ sofort von ihrer Abwehrhaltung ab und grinste stattdessen. Laurie war spindeldürr
Weitere Kostenlose Bücher