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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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schon einmal gegen sich aufgebracht. Aber er ließ nicht locker.
    »Halten Sie die Ohren offen«, forderte ich ihn auf, als ich ihn Ende 1999 ernannte. »Vielleicht finden Sie ja einen Einstieg.« Er fand ihn und meldete bald, dass Barak beabsichtige, sein Wahlversprechen, die israelischen Truppen aus dem Libanon abzuziehen, einzulösen.
    Kaum eine andere Gesellschaft auf der Welt ist so komplex wie die libanesische. Ihre verwickelten religiösen und regionalen Unterschiede, die besondere Beziehung zu Syrien, die Folgen des ungelösten Konflikts mit Israel und die Anwesenheit palästinensischer Flüchtlinge sowie eine lange Geschichte ausländischer Einmischungen stützen oder bedrohen, je nachdem, ihre Stabilität – für gewöhnlich beides auf einmal. All diese Faktoren spielten im libanesischen Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990, der rund 120 000 Menschenleben forderte, in ständig wechselnden Konstellationen eine Rolle.
    Der Bürgerkrieg endete mit dem Abkommen von Taif, das politischem Sektierertum den Boden entzog und die Milizen auflöste. Doch die konfessionelle Struktur des »ungeschriebenen« nationalen Pakts von 1943, nach dem der Präsident ein Maronit, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit sein sollten, blieb bestehen. Israel hielt den Südlibanon besetzt, seit es 1982 Arafat und die PLO aus Beirut verjagt hatte. Als führende schiitische Gruppe im Widerstand gegen die israelische Besatzung trat die vom revolutionären Iran unterstützte Hisbollah hervor. Syrien, das den Libanon als Teil seines historischen Territoriums betrachtete, garantierte de facto die Sicherheit des Landes, was jedoch bedeutete, dass es sich stark in die libanesische Politik einmischte. Symbol des israelisch-syrischen Konflikts war zwar die Besetzung der syrischen Golanhöhen durch Israel, ausgetragen wurde er aber häufig genug auf dem libanesischen Schauplatz, vermittelt durch Syriens Bündnis mit dem Iran und seine Verbindungen zur Hisbollah.
    Im Jahr 2000 war vor diesem Hintergrund klar, dass der beste Zeitpunkt für einen israelischen Rückzug aus dem Libanon unmittelbar nach einem Friedensschluss mit Syrien wäre. Ohne einen Frieden könnte der israelische Rückzug so interpretiert werden, als würde Israel vor der bewaffneten Kampagne der Hisbollah fliehen, was der Hisbollah Auftrieb gegeben und Syrien womöglich zu unüberlegten Aktionen verleitet hätte. Ein Friedensabkommen wäre für Syrien ein Anreiz gewesen, sich anders zu verhalten und sein Verhältnis zur Hisbollah zu überdenken.
    Leider verlief das Gipfeltreffen im März 2000 in Genf zwischen US -Präsident Clinton und dem syrischen Präsidenten Hafis al-Assad erfolglos. Barak hatte aus Sicherheitsgründen darauf bestanden, einen schmalen Landstreifen der Golanhöhen am Ostufer des Sees Genezareth zu behalten, und als Clinton Assad das Angebot Baraks übermittelte, wies der alternde syrische Staatsführer es rundweg zurück. Er forderte, wie er es stets getan hatte, einen vollständigen Rückzug hinter die Linien von 1967 sowie den syrischen Zugang zum See Genezareth. Barak war mit seinem Friedensangebot nicht weit genug gegangen, und seine Initiative endete tragischerweise mit einem Fehlschlag. Eine Chance auf eine grundlegende Neuorientierung in der Region war vertan.
    Einige Tage nach dem Fehlschlag des Genfer Gipfels versicherte mir Barak, dass er sein Rückzugsversprechen halten werde. Wie sich herausstellte, wollte er aber auch in dieser Hinsicht nicht den gesamten Weg gehen. Auf Druck des israelischen Militärs plante er einen schrittweisen Rückzug, nach dem Sicherheitsvorposten auf libanesischem Territorium verbleiben sollten. Ich erklärte ihm und seinem Außenminister, dass ein vollständiger Rückzug vonnöten sei, wenn Israel dies mit mir koordinieren und internationale Legitimität für sein Handeln haben wolle. Zudem verlangte ich, dass er dieser Bedingung schriftlich zustimmte. Nach vielem Hin und Her bekräftigte Barak schließlich in einem Brief vom 17. April Israels Absicht, »voll und ganz mit den Vereinten Nationen zu kooperieren« und sich »in voller Übereinstimmung mit den Sicherheitsratsresolutionen 425 und 426« – in denen Israel aufgefordert wurde, die Besetzung des Libanon zu beenden – zurückzuziehen. Später sagte mir der ägyptische Außenminister Amre Moussa, durch mein Verlangen nach einer schriftlichen Verpflichtung hätte ich das arabische Vertrauen darin gestärkt, dass ich »das

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