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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Richtige tun« würde. Das wiederum verschaffte mir den nötigen Spielraum für eine effektive Zusammenarbeit mit Libanesen und Syrern, obwohl ich mich gleichzeitig eng mit Israel abstimmte.
    Wenn der Rückzug gut verlief, ginge die achtzehnjährige Präsenz Israels im Südlibanon zu Ende, die zu einer Kalamität geworden war, und dem Libanon wäre bei seinen Anstrengungen, den Bürgerkrieg zu überwinden, geholfen. Scheiterte der Rückzug jedoch, konnte es zu einem massiven Konflikt führen, ganz zu schweigen davon, dass ich selbst als regionaler Vermittler für immer diskreditiert wäre. »Der UN kommt hier eine enorme Rolle zu«, sagte Madeleine Albright damals zu mir. Da ich die Führung hatte, bestand ich darauf, dass dies anerkannt wurde und die anderen Hauptakteure mir nicht ins Handwerk pfuschten, indem sie eigene Vermittler entsandten.
    Israel und der Libanon unterhielten keine diplomatischen Beziehungen zueinander, aber nach dem Völkerrecht konnten nur sie selbst sich auf den Verlauf der Grenze zwischen ihren beiden Ländern einigen. Als Vermittler war es nicht meine Aufgabe, den Grenzverlauf festzulegen, sondern eine Linie zu bestimmen, an der man messen konnte, ob Israel sich gemäß der UN -Resolution 425 zurückgezogen hatte. Die mittlerweile als Blaue Linie bekannte Demarkationslinie zu ziehen, erwies sich als unglaublich schwieriges Unterfangen, da das UN -Team Dokumente aus Archiven in aller Welt zusammentragen musste.
    Die Schwierigkeiten waren gewaltig. Das von syrischen Alawiten bewohnte Dorf Ghajar zum Beispiel lag auf besetztem syrischen Territorium, aber unmittelbar an der Grenze zum Libanon. Anders als die Dorfbewohner auf dem Golan hatten die Einwohner von Ghajar nach 1967 die israelische Staatsbürgerschaft angenommen. Doch wie sich herausstellte, hatte das Wachstum des Dorfes im Lauf der Zeit auch libanesisches Territorium einbezogen. Die Blaue Linie würde mitten durch das Dorf verlaufen, so dass der Nordteil zum Libanon und der Südteil zum israelisch besetzten Syrien gehören würde. Das war für alle Beteiligten, mich eingeschlossen, unerfreulich. Manche Dorfbewohner befürchteten, dass die Hisbollah ihnen etwas antun könnte. Barak, der sich an die Eroberung des Dorfs im Jahr 1967 erinnerte, bemerkte, dass »die Kartographie den Frieden vereitelt«. Wir erhielten vom Libanon die bindende Zusage, dass weder die Armee noch die Hisbollah in das Dorf einmarschieren würden, und dieses Arrangement hielt bis 2005, als die israelischen Streitkräfte, nachdem Israel aus dem Norden angegriffen worden war, vier Hisbollahkämpfer tötete. Ghajar ist bis heute ein ungelöstes Problem.
    Die größten Kopfschmerzen bereiteten uns jedoch die Schebaa-Farmen. Nach Ansicht der Libanesen gehörten bestimmte Landwirtschaftsgebiete bei dem Dorf Schebaa zu ihrem Territorium. Der libanesische Präsident Emile Lahoud legte uns eine Landkarte aus dem Jahr 1966 vor, auf der das Gebiet innerhalb der libanesischen Grenzen lag. Doch die Karte bildete eine krasse Ausnahme; achtzig anderen Landkarten zufolge – einschließlich von zehn regierungsamtlichen libanesischen Karten aus der Zeit nach 1966 – gehörte das Gebiet zu Syrien (und damit zu den von Israel besetzten Golanhöhen). Sogar auf libanesischen Banknoten waren die Schebaa-Farmen als syrisches Gebiet verzeichnet.
    Ich forderte meine Mitarbeiter auf, die von Lahoud vorgelegte Karte zu prüfen. Sie stammte tatsächlich aus dem Jahr 1966 – bis auf die Grenzziehung im Gebiet von Schebaa, deren Tinte kaum getrocknet war. Wir teilten den Libanesen mit, dass die Karte von »zweifelhafter Authentizität« sei und dass ich an die Öffentlichkeit gehen würde, wenn ich jemals wieder etwas von ihr hören sollte.
    Die Frage der Schebaa-Farmen war vermutlich als politischer Stolperdraht ausgelegt worden. Baraks Schritt hatte Syrien überrascht und einige Befürchtungen ausgelöst. Wie ließ sich, wenn die israelische Besetzung des Libanon endete, der militärische Widerstand auf libanesischem Territorium rechtfertigen, ob nun durch die Hisbollah oder durch palästinensische Gruppen? Und würde die libanesische Regierung, wenn sie die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zurückgewann, nicht beginnen, die militärische und nachrichtendienstliche Vormundschaft Syriens in Frage zu stellen?
    Am Ende entschlossen wir uns zu einer einfachen Art, die Demarkationslinie zwischen dem Libanon und Syrien zu ziehen, indem wir die Operationsgebiete zweier UN

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