Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Generalversammlungsresolution 181 von 1947). Damals waren erste UN -Vermittler in die Region entsandt worden – Graf Folke Bernadotte, der in Jerusalem von israelischen Extremisten ermordet wurde, und Ralph Bunche, der für die Aushandlung des Waffenstillstandsabkommens am Ende des Krieges von 1948 den Friedensnobelpreis erhielt. UN -Resolutionen – insbesondere die Sicherheitsratsresolutionen 242 und 338 – bildeten anerkanntermaßen das Gerüst für eine Lösung der nach den Kriegen von 1948 und 1967 ungelösten Fragen auf der Grundlage des Prinzips »Land für Frieden«. In gefährdeten Grenzgebieten wurden UN -Friedenssoldaten stationiert, insbesondere zwischen Israel und Syrien sowie zwischen Israel und dem Libanon. UN -Hilfsorganisationen leisteten vor Ort wichtige Arbeit, allen voran das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten ( UNRWA ).
Aber die Vereinten Nationen waren politisch an den Rand gedrängt worden. Die Debatten über die »Palästinafrage« in der Generalversammlung hatten unverkennbar einen Beiklang von Irrelevanz und sogar Destruktivität. Sie brachten eine Menge heiße Luft hervor, klärten aber in keiner Weise, wer was wann und wie zu tun hatte, um Frieden zu stiften. Die Generalversammlung und die Menschenrechtskommission verabschiedeten immer neue gegen Israel gerichtete Resolutionen. Ihre Kritik war jedoch von der Tatsache überschattet, dass die beschlussfassenden Länder an Israel häufig andere Maßstäbe anlegten als an die Palästinenser oder andere Konflikte – von sich selbst ganz zu schweigen. Dies vermittelte Israel den Eindruck, dass es von den Vereinten Nationalen niemals eine faire Behandlung erwarten könne.
Doch die Palästinenser hatten noch mehr Anlass zur Klage. Immerhin waren sie diejenigen, die ständig besetzt oder vertrieben wurden. Auf ihrem Land machten sich israelische Siedlungen breit, Jerusalem wurde nach und nach isoliert und umgestaltet, und Gewaltausbrüchen waren sie weitgehend ungeschützt ausgesetzt. Dennoch blieb der Sicherheitsrat für gewöhnlich stumm, obwohl seine oberste Aufgabe laut UN -Charta die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt war. Und wenn er Stellung bezog, unterließ er es, Mechanismen zu schaffen, um seinen Willen durchzusetzen. Zudem legten die Vereinigten Staaten selbst bei berechtigten internationalen Beanstandungen und Forderungen ihr Veto ein, um Israel zu schützen, und lähmten den Rat auf diese Weise bei der Behandlung eines der Hauptkonflikte der Welt.
Keines von beiden Extremen war gesund, aber die Spaltung war offensichtlich: Israel vertraute den Vereinten Nationen nicht und hielt sie sich vom Leib, während die Palästinenser von ihnen erwarteten, ihr Anliegen hochzuhalten, aber nicht sahen, wie wir zu einer Lösung beitragen könnten. In meinen Augen war dies am Vorabend des 21. Jahrhunderts ein für die Weltorganisation unerträglicher Zustand. Deshalb nahm ich mir, ungeachtet aller Spaltungen unter den UN -Mitgliedsstaaten, von Beginn meiner Amtszeit an vor, als Generalsekretär aktiv die Rolle des Friedensstifters auszufüllen. Dies erforderte vor allem, dass alle Akteure in der Region mir persönlich Vertrauen schenkten, unabhängig davon, was sie von der Organisation hielten, die ich vertrat.
Aufeinander zugehen und Vertrauen schaffen
Bei den Palästinensern fiel es mir ziemlich leicht. Ich empfinde für sie in ihrer bedrängten Lage starke Sympathie und Solidarität. Als junger Afrikaner hatte ich Opfer ungerechter Behandlung in ihnen gesehen und mich mit ihrem Befreiungskampf identifiziert. Später hatte ich als junger UN -Mitarbeiter auf der Sinaihalbinsel das Gefühl von Verlust, Ungerechtigkeit und Demütigung, das die Palästinenserfrage bei Arabern, Moslems und Menschen guten Willens überall auf der Welt hervorrief, selbst unmittelbar verspürt.
Ich bedauerte und verurteilte die von manchen Palästinensern begangenen Gewalttätigkeiten und hielt es sowohl aus Prinzip als auch aus Freundschaft für die Palästinenser für die Pflicht der UNO , in dieser Hinsicht unmissverständlich Stellung zu beziehen. Aber das Etikett des »Terrorismus« wurde allzu oft benutzt, um den Palästinensern die politische Identität zu verweigern oder um die Tatsache zu verschleiern, dass eine ganze Nation entweder besetzt oder im Exil war. Jeder Palästinenser in der Region spürte tagtäglich die aus dem ungelösten Konflikt folgenden Beschränkungen und Zurückweisungen,
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