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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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-Friedensmissionen zur Grundlage nahmen – der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon ( UNIFIL ) und der Beobachtungstruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung ( UNDOF ). Die Schebaa-Farmen lagen in der UNDOF -Zone. Israel würde die Schebaa-Farmen schließlich zurückgeben müssen – aber an Syrien, im Rahmen eines Friedensabkommens mit Damaskus; es sei denn, der Libanon und Syrien einigten sich förmlich auf ihre Zugehörigkeit zum Libanon. Doch das ist bis heute nicht geschehen.
    Am 22. Mai 2000 schlug ich in einem Bericht an den UN -Sicherheitsrat die Blaue Linie vor. Der Rat stimmte zu, gerade als die Spannungen vor Ort zunahmen. Der Libanon hatte nicht die Absicht, Israel zu gestatten, sich zu seinen eigenen Bedingungen zurückzuziehen. Große Menschenmengen, einschließlich von Hisbollah-Elementen, zogen nach Süden und begannen in Dörfer des israelisch kontrollierten Gebiets vorzudringen. Barak musste den Truppenabzug in Windeseile vornehmen; binnen einer Woche hatte die israelische Armee fast alle Stellungen im Libanon aufgegeben, überwiegend nachts, unter dem Schutz von israelischem Artilleriefeuer.
    Während des Rückzugs stand ich sowohl mit Lahoud als auch mit Barak, der sich in der Nähe der israelischen Frontlinie aufhielt, in ständigem Kontakt. Gegenüber Barak bekräftigte ich das Ziel eines vollständigen Rückzugs, während er darauf drängte, dass die UNO in bestimmten Gebieten Posten stationierte. Bei Lahoud intervenierte ich, wenn Aktionen der libanesischen Armee die UNIFIL daran hinderten, Patrouillen durchzuführen. Der Rückzug war von einer Vielzahl gewalttätiger Übergriffe begleitet, die aber nie zu größeren Kämpfen eskalierten. Beide Politiker waren ehemalige Generäle, und es gelang uns zu verhindern, dass die Situation im Nebel des Rückzugs außer Kontrolle geriet.
    Beide Seiten brachten unzählige Einwände gegen die Blaue Linie vor, insbesondere die Libanesen. Aber auch wenn sie die Linie nicht akzeptierten , sicherten sie mir doch zu, sie zu respektieren . Als ich dem Sicherheitsrat am 16. Juni 2000 mitteilte, dass Israel die Forderungen der Resolution 425 erfüllt habe, erklärte ich, dies sei »ein glücklicher Tag für den Libanon, aber auch für Israel, ein Tag der Hoffnung – und ein Tag des Stolzes für die Vereinten Nationen«. Genau das war er. Im Libanon herrschte helle Aufregung über das Ende der achtzehnjährigen israelischen Kontrolle über den Süden des Landes, und Barak berichtete mir: »Buchstäblich Hunderttausende von Israelis, insbesondere Eltern von Soldaten, haben einen kollektiven Seufzer der Erleichterung ausgestoßen. Die Stimmung ist ausgesprochen positiv.«
    Meine Bestätigung gegenüber dem Sicherheitsrat war nicht ganz ohne Risiko, da viele Brennpunkte weiterhin bestanden und noch einige lose Enden verknüpft werden mussten. Deshalb wartete ich die förmliche Bestätigung des Rats nicht ab, sondern reiste sofort in die Region, um mich mit diesen verbliebenen Fragen zu beschäftigen. Ich rechnete damit, dass der Rat, während ich in der Region weilte, meine Position nicht untergraben und sich daher meiner Auffassung, dass Israel sich zurückgezogen habe, anschließen würde. Russland nahm sich Zeit, bis es zustimmte, aber nach einigen angespannten Tagen – während ich Kairo und Teheran besuchte, ohne zu wissen, ob ich die Rückendeckung des Sicherheitsrats besaß – zahlte sich meine Finte aus. Nur wenige Stunden, bevor ich in Beirut landete, billigte der Sicherheitsrat meinen Bericht.
    Während ich versuchte, von allen Seiten die Zusage zu erhalten, dass sie die Blaue Linie anerkennen würden, wollte fast jeder den einen oder anderen Aspekt abändern. Barak war wütend, dass die Libanesen während des Rückzugs neue Informationen geliefert hatten, die eine geringfügige Änderung des Verlaufs der Linie nötig machten, was ihn gelegentlich dazu zwang, mehr militärisches Gerät zu verlegen, als er es sich vorgestellt hatte – in manchen Fällen war das mehr als einmal erforderlich, in anderen ging es nur um wenige Meter. Unterdessen beschwerten sich die Libanesen lautstark über israelische Verletzungen der Absprachen. Die Ägypter waren besorgt darüber, dass Israel der Hisbollah einen großen Sieg geschenkt habe, während die Israelis ihrerseits fanden, dass ich dies getan hätte, indem ich mit dem Hisbollahführer Hassan Nasrallah zusammengekommen war. Bei jenem Treffen hatte ich Nasrallah aufgefordert, sich auf

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